habe mal in einem Archiv nachgeschaut und rausgeholt, was ich früher schonmal dazu geschrieben hatte:
Hallo,
muß auch mal meinen Senf dazu abgeben:
Früher war das so (mit früher meine ich so vor 1990):
Die Motoren wurden zusammengenagelt mit großen Toleranzen und vor allem Bauteilen, deren Ausdehnungsverhalten bei Temperatur nur so ungefähr kannte. Das hatte zur Folge, das in dem einem Motor die Kolben in den Zylinderlaufbahnen rumklappern und im nächsten ging es auch schon ziemlich eng zu. Besonders gut waren da die alten Engländer, das waren reine Zufallsprodukte. Deshalb hatte man damals besondere Einfahrtechniken entwickelt, die die Aufgabe hatten, die Teile individuell aufeinander einzuschleifen. Insbesondere Kolben, die werden bei steigender Temperatur schneller größer als der Zylinder, also wirds dann schonmal eng. Deshalb hat man immer versucht, den Motor kurzzeitig heiß werden zulassen und wieder abkühlen zu lassen, bevor es klemmt. D.h. man fing an, mal kurz den 2. aufziehen und sofort wieder Gas weg, damit der Kolben wieder abkühlen kann. Das hat man über einige 100 bis 1000km immer wiederholt und langsam gesteigert. Am Anfang wie gesagt ganz kurz im 2., dann den 2. auch mal ausdrehen, den auch den 3. mal dazu, und immer länger und heißer. Wenn man alles richtig gemacht hat, dann war der Motor am Ende unter Umständen sogar Dauervollgasfest. Wer zu viel und zu früh Gas gegeben hat, hat dann schon meist kleine Klemmer verursacht, mit der Folge schlechte Verdichtung, hoher Ölverbrauch. Richtige Grobmotoriker haben auch gleich einen richtigen Klemmer mit blockierten Hinterrad bekommen und sind dann vielleicht sogar noch abgestiegen. Wer dagegen nie Gas gegeben hat, hatte immer einen "uneingschliffenen" Motor. Dann kam ein Anderer bei 10000km Laufleistung daher und hat kräftig am Kabel gezogen und schwubs war der Motor plötzlich aus heiterem Himmel kaputt. Die absoluten Freaks haben übrigens mehrmals alle 1000km den Motor zerlegt und Stellen der ersten Miniklemmer mit ganz feinem Schmirgel nachgearbeitet. So nach 10000km war der Motor optimal eingefahrenn und ab 12000km ging er dann wg. Verschleiß schon wieder langsam kaputt....;-).
Ziel war immer, optimale Passung der Bauteile zu erreichen. Da das alles ziemlich kompliziert war, haben die Hersteller daraus ihre "Einfahrvorschriften" erstellt mit der Hoffnung, das die Motoren da dann irgendwie durchkommen. Dabei ging es aber nie darum, das Optimum rauszuholen, sondern nur ums Überleben.
Heute passt ab Werk alles, die Toleranzen sind traumhaft klein, vor allem die Wärmeausdehnung hat man sehr gut im Griff, da verformt sich nichts mehr unerwartet. Deshalb ist Einfahren eher sowas wie ein Ritual für den Fahrer, man lässt sich langsam auf den Motor ein.
Das Einzige, was immer noch sinnvoll ist, ist warmfahren, da sich die Eigenschaften der Öl immer noch sehr stark über Temperatur ändern. Ganz Besonders wichtig sind die ersten paar Sekunden nach Motorstart, denn ohne Öldruck kann auch ein moderner Motor nicht. Deshalb die ersten Sekunden so wenig Drehzahl und Last wie möglich, und bis ca. 60°C Öltemperatur (nicht Wasser, das interessiert nicht) piano. Der Rest ist heute nicht mehr wichtig.
Gruß Gerhard
p,s. Meine neue 390er habe ich knapp 500km sachte (bis ca. 7000) gefahren und ihr dann das Ausdrehen beigebracht....... Wichtiger als die Drehzahl ist eher die Last = Spitzentemperatur der Bauteile.