Die 990er (ich hatte eine 2013er SMR für knapp 30.000km) gibt in diesem Vergleich die ultradirekte, aber auch ziemlich rüpelhafte Fahrmaschine. Wie ein junger Hund zieht sie ständig an der Leine, will rennen, toben, nur halt nicht ruhiges oder gar fremdbestimmtes Tempo gehen. Denn dann wird sie bockig und zickig, bleib auch schon mal kurz wegen eines Zündaussetzers stehen. Die 990 hat nicht nur keine elektronischen Helferlein (ggf. abgesehen von ABS), sie braucht sie auch gar nicht, denn sie zeigt dem Fahrer immer klar und ungefiltert, was in ihrem Maschinenraum und an der Reifenaufstandsfläche gerade vorgeht. Jede Regelung würde ihrem Charakter zuwiederlaufen.
Das (voll einstellbare) Fahrwerk ist mit das beste, was ich je gefahren bin: extrem variabel, da geht alles zwischen komfortabel und staubtrocken, aber immer präzise, extrem zielgenau und (für eine 1000er) sehr handlich. Wer da keine perfekte Einstellung findet, hat entweder keine Ahnung oder sitzt schlicht auf dem falschen Mopped. Die Bremsen sind eine Wucht, knackiger Initalbiss, sehr gut dosierbar. Die Originalfolterbank lädt eher zum Stehen ein, lässt sich aber durch so ein Ergo-Teil aus den Power-Parts entschärfen.
Die 790er ist dagegen eine IM GANZEN etwas entschärfte (man könnte auch sagen: verwässerte) Variante dieser Art nackter Fahrmaschinen. Man sitzt niedriger, eher integriert als oben drauf, die Sitzbank ist besser und breiter gepolstert.. Der Motor ist zwar auch sehr agil und dreht bissig in den Begrenzer, selbst die Fahrleistungen sind kaum schlechter und für so ziemlich jeden Zweck absolut ausreichend. Aber der gesamte Antrieb gibt sich dabei moderater, zahmer, weniger bockigt, allgemeinverträglicher. Mit dem ganzen Apparat kann man auch mal lässig durch einen Ort fahren, selbst 30er Zonen wirken nicht nervig. Das Fahrwerk ist, allein schon aufgrund der kleineren Federwege und weitgehend fehlenden Einstellmöglichkeiten, deutlich schlechter, aber zum lustigen Herumfräsen völlig ausreichend: extrem handlich, dabei zielgenau, neutral in den Kurven, allerdings nimmt es Bodenwellen, Aufbrüche und sonstige Oberflächenfehler der Fahrbahn längst nicht so souverän und bei Bedarf auch komfortabel wie eine (feinjusterte) SMR.
Die Bremsen der 790er sind nicht schlecht, aber auch hier gilt: das Bessere ist der Feind des Guten. Das gleiche gilt für mich beim Design und der Bauqualität, ich finde die 990er SMR nach wie vor eines der schönsten und stimmigsten Motorräder, die je gebaut wurden. Da kann die 790er mit ihrem Banananen-Auspuff, dem Höckertank, der insektoiden Front und, vor allem, der nicht immer hochwertigen Machart (Beispiel: Tankverkleidung in der Optik und Haptik eines Bobbycars) nun einfach nicht mithalten. Ok, ich weiß, ist alles subjektiv, aber das ist alles andere hier auch ...
Wenn man allerdings von einem neuen Mopped auch ein Maximum an persönlicher Sicherheit fordert, verschiebt sich die Perspektive, denn genau da hat die 990er allenfalls ein ABS zu bieten - das übrigens ganz hervorragend funktioniert: es regelt auf der Straße im Alltag ebenso spät, feinfühlig und souverän wioe die 790er - nur halt ohne Kurven-Funktion. Ähnliches gilt für all die anderen Helferlein: Die 990er zeigt einem erfahrenen Fahrer auch ganz ohne Elektronik recht genau, dass die Grenzen des Machbaren an der Reifenaufstandsfläche nun gleich erreicht sind. Nur reagieren muss er, also der Fahrer, natürlich selbst, da hilft einem die 790er im Grenzbreich schon noch etwas besser auf die Sprünge.
Kurzum: Sicherheits- und Assistenzseitig kann man sich nach Aktenlagelage entscheiden. Aber beim Fahrspaß, dem zumindest für mich alles entscheidenden Kriterium beim Kauf eines Moppeds, kommt man um eine ausgiebige Probefahrt absolut nicht herum, insbesondere die 990er bedarf einiger Eingewöhnung, um sie so richtig schätzen oder vielleicht auch hassen zu lernen. Die 790er ist absolut allgemeinverträglich, so richtig verkehrt kann man damit eigentlich nicht liegen.
Wer aber Moppeds nach den Eindrücken anderer oder gar nach Punkten in Testberichten kauft, hat meines Erachtens das ganze Konzept des Moppeds nicht verstanden: Das ist nämlich kein Gebrauchsgegenstand, sondern ein reines, höchst persönliches Spaßgerät!