[...] Die große Zylinderbohrung bedarf zwar weniger Hub, aber das geht im Saugmotorenbau immer mit einer Verschiebung der Drehmoment- und der Leistungsspitzen in höhere Drehzahlbereiche einher. Die "Ventilzwangsschließung" ist bekannt dafür ihren Vorteil, welcher in der höheren Zylinderfüllung aufgrund von länger offenstehenden Ventilen gegenüber regulären Ventilfedern liegt, erst bei hohen Drehzahlen wirklich ausspielen zu können.
Das ist eine wohl unausrottbare Mär aus den 70ern und 80ern!
Spätestens seit der Dorsoduro ist das auch großserientechnisch widerlegt. Der V2 hatte ein Kubatur von 92x56,4 und brachte 82Nm bei 4500U/min auf die Kurbelwelle was für eine 750er wirklich seeehr stattlich ist. Zahlen hin oder her, der Motor fuhr sich souverän aus dem Keller heraus.
Der als kurzhubig verschrieene KTM 950er-Motor hatte fast das gleich Bohrungs/Hub-Verhältnis wie der o.g. Aprilia-Motor.
Ich habe ja das Glück das Ende der Verbrennungsmotoren als aktiv Mitwirkender zu gestalten und konstruiere gerade meinen 5ten Zylinderkopf nach vorgegeben technischen Randbedingungen. Derjenige, der den Brennraum, die Gaskanäle und die Ventilkonfiguration ausarbeitet sagt auch, dass man Drehmoment mit großer Bohrung und wenig Hub generieren kann, weil die Kanalkonfiguration und Ventilerhebungskurven dafür maßgeblich sind. Ein langer Hub macht einfach den Motor nur groß weil der lange Hub unter anderem auch ein noch längeres Pleuel bedingt. Da kommt einfach eins zum anderen.
Der große Vorteil der Desmodromik kann mangels Drehzahl beim Single nicht genutzt werden: das Fehlen von sich negativ auswirkenen Schwingungsphänomenen.
Was aber sehr wohl genutzt werden kann ist die überragende Fähigkeit das Ventil ultra-rasant zu schließen. Überlicherweise wird ein Ventil dreimal so stark aufgestossen als zugerissen, weil man Stahlfedern sinnvollerweise nicht ausreichend stark machen kann. Bei Rennmotoren mit Desmodromik wird das Ventil genauso stark geschlossen wie geöffnet, was eine echte Hausnummer ist.
Im Serienmotorbau belässt man es beim Faktor 2 was immer noch erheblich besser ist als 3 bei Stahlfedern.
Der Nutzen ist ganz im Gegenteil ein anderer: Nicht ist das Ventil länger offen, sondern kürzer ohne Verlust an Füllung.
Was stimmen würde: Bei den Desmo ist das Ventil länger stark offen als bei konventionellen Motoren.
Als dritten Vorteil sei genannt die Reibleistungbei niedrigen & mittleren Drehzahlen. Da gegen keine (Ventil-) Feder aktiv gearbeitet werden muss bleibt mehr Kraft für den Endantrieb übrig.
Aber teuer ist sie die Desmodromik, und das Abdichtverhalten im Leerlauf ist mangels Federkraft am Ventilteller auch nicht so toll was sich in Abgaswerten widerspiegelt. Aber vielleicht ist einem von Euch im o.g. Video ja aufgefallen dass am Kipphebel eine kleine Schließerfeder unterstützt...