Das Fahrwerk
Die Bestellung für die WP Apex Pro 6500 Cartridge und das WP Apex Pro 6746 Federbeins war gerade ausgelöst, als ich von BVZ angerufen wurde: Was ich denn wiegen würde, da wären verschiedene Federn für Cartridge und Federbein erhältlich. Nun, im Moment so 87 kg, Tendenz fallend, Endziel knapp 80kg. Ja gut, sagte der Experte am anderen Ende, dann würde er zu Federn mit passender Härte für 85-95kg raten, schließlich würde ich ja nicht nackt fahren. Dem musste ich mit Blick auf meine 8kg Lederkombi zustimmen ... dazu Helm, Handschuhe, Stiefel, Unterbuxe etc. Mit 15kg mehr als Abtropfgewicht muss ich schon rechnen. Und 95kg im vollen Ornat schaffen zu müssen ist für mich eine Motivation das Abnehmen durchzuhalten!
Zwei Wochen später waren die Sachen da und ich machte mich ans Werk:
20201107_161134.jpg
Zuerst habe ich mir das Federbein vorgenommen. Das ist nur an zwei Aufnahmepunkten befestigt, eine supereasy zugängliche Aufnahme an der Schwinge und eine sehr verbaute unterhalb des Luftfilterkastens. Sehr gute Dienste bei Arbeiten am Fahrwerk tut übrigens der Zentralständer, da beide Räder komplett entlastet sind. Für den Federbeinaus- und -einbau das entlastete Hinterrad mit etwas geeignetem (Holzblöcke, was gerade passt) ganz leicht anheben.
An der Aufnahme an der Schwinge ist eine Besonderheit, nämlich eine Klemmmutter mit Linksgewinde. Diese Klemmmutter, durch die die Befestigungsschraube (mit normalem Rechtsgewinde) geschraubt ist, sorgt für den spielfreien Sitz des Federbeins in der unteren Aufnahme. Wenn das Federbein ausgebaut wird, muss diese Klemmmutter ebenfalls gelöst werden, sonst geht das Federbein nicht raus. Also, liebe Kollegen, diese Klemmmutter ist im Uhrzeigersinn zu öffnen und gegen den Uhrzeigersinn festzuziehen. Dazu benötigt man einen 14er Inbus. Die Befestigungsschraube ist eine von den bei KTM so beliebten 45er Torx-Schrauben.
Hier die untere Aufnahme mit ausgebautem Federbein und der Klemmmutter:
20201108_090712.jpg
Die obere Federbeinaufnahme ist ein ganz anderes Kapitel. Diese steckt oben im Rahmen und ist von zwei mit Plastikstopfen im Rahmen unterhalb der Sitzbank zugänglich. Und von nirgendwo sonst, das schonmal vorweg.
20201108_090751.jpg
Ein langer(!) 45er Torx löst die Befestigungsschraube glücklicherweise ohne Probleme, von der anderen Seite kann man die Schraube dann mit einem langen maximal 6mm dicken Gegenstand (bei mir: zwei ineinandergesteckte 1/4 Zoll Verlängerungen) durchdrücken. Anschließend geht das alte Federbein mit ein bisschen ruckeln locker raus.
Das neue Federbein habe ich so, nur in umgekehrter Reihenfolge, aber nicht rein bekommen. Mit der Aufgabe, das Federbein nebst angeflanschtem Ausgleichsbehälter durch die Lücke zwischen Rahmenrohren, Getriebegehäuse und Airbox wie ein Kamel durchs Nadelöl zu fädeln, war ich überfordert. das Federbein muss auch so herum rein, nicht mit dem Ausgleichsbehälter nach unten. das passt zwar, aber nur bis zum ersten Einfedern! Bevor ich mir das schöne neue Teil bei meinen Versuchen vermackele, habe ich mich "mal eben" von oben durchs Motorrad durchgeschraubt, bis die Airbox raus war. Dann endlich, freie Sicht und Herankommen:
20201108_104315.jpg
Dann war die obere Aufnahme kein Problem mehr. Das Tuch im Sammler ist übrigens dafür da, dass mir da bloß nichts reinfällt. Absolut kein Bock da unten nach einer Schraube herumzuprokeln.
Unbedingt beachten: Beide Befestigungsschrauben mit dem vorgeschriebenen Drehmoment (80nm) UND Schraubensicherung(!!) festziehen. Da mache ich deshalb so einen Aufstand, weil das im höchsten Maße sicherheitsrelevante Schrauben sind! Wer sich nicht sicher ist, welche Drehmomente wo benötigt werden oder wo welche Schraubensicherung nötig ist: Siehe hier nach bevor du Blödsinn machst!
Nach dem Wort ans Gewissen nun zur Cartridge. Die Gabelholme waren schnell ausgebaut: Vordere Bremssättel ab, Vorderrad raus, Kotflügel abbauen, ABS Sensor nicht vergessen, Gabelklemmen lösen, und schon flutschen die Gabelholme heraus. Ich habe erst die untere Gabelbrücke gelöst, dann die obere und dabei den Holm festgehalten, damit er mir eben nicht gleich ganz durchrutscht und auf den Boden knallt. Da warn se raus:
20200820_115959.jpg
Da ich ja schon einplante, etwas länger für die Aktion zu brauchen, habe ich die Bremssättel fachmännisch an einem Gepäckspanner aufgehängt, damit sie nicht die ganze Zeit an den Bremsleitungen hängen:
20200820_120038.jpg
Nun hatte ich noch nie eine Cartridge gewechselt und hatte mich nur theoretisch mit der Materie befasst. Ich stelle fest, dass ich keine Möglichkeit habe, die Gabelholme zum weiteren Arbeiten vernünftig einzuspannen und ganz so plug&play wie ich gehofft habe, war es doch nicht. Man muss seine Grenzen kennen, also widerwillig, aber einsichtig: Ab zur KTM Werkstatt, die das in einer Stunde erledigt hatten.
Der Einbau der Gabelholme, Rad, Bremse usw. findet in umgekehrter Reihenfolge wie der Ausbau statt. Ich habe bei der Gelegenheit auch gleich die Bremssättel gereinigt. Die Kolben mit Bremsenreiniger, danach von außen einfach mit warmen Wasser mit Spüli. Dann sind auch Reste vom Bremsenreiniger, die eventuell auf Dauer die Kolbendichtgummis angreifen könnten, weg. Zum Schluß die Bremskolben mit ATE Paste einschmieren. Hier ein Video, dass sich mit dem fachgerechten Wechsel von Bremsbelägen, Reinigung etc. beschäftigt.
Für den gesamten Einbau gilt auch hier wieder: Schau hier nach welche Drehmomente und Schraubensicherung du brauchst!
In meiner optimistischen Art und Weise bin ich dann erstmal mit Einstellung "Sport" losgefahren. Das haut einem aber bei Fahrt durch vernarbte Innnenstadt- oder Landstraßen die Plomben aus den Zähnen. Eine Etappe über die topfebene A1 ergab: Hier (und auf der Rennstrecke) macht diese Einstellung Sinn, absolut spur- und bremsstabil, liegt auch bei hohen Geschwindigkeiten (>200) wie ein Brett. Auch und gerade in sehr schnellen Kurven, wo vorher ein - äh- zartes Rühren und Schwanken zu bemerken war, war jetzt absolute Stabilität. Aber für die Landstraße, besonders in meiner Gegend, deutlich zu hart. Also Druck- und Zugstufe vorn und hinten schrittweise weiter geöffnet, bis ich eine für mich gute Einstellung zusammengefahren hatte. Wenn es wärmer ist (und ich mein Zielgewicht habe!), gehe ich aber nochmal auf "Einstellfahrt" und werde das Fahrwerk noch genauer einstellen.
Kleiner Schraubertipp noch: Wenn ihr die Bremssättel anschraubt, beim endgültigen Festziehen der Bremssattelschrauben die Bremse ziehen. Damit sind sie Bremssättel dann genau zentriert mittig über den Bremsscheiben. Ist so auch im Video zu sehen.
Grüße
Vilo, die Bremsen gibt's morgen. Oder wenn 20 Leute "bitte bitte" sagen ...