So, jetzt habe ich die 790er gefahren und wollte ja berichten. Wer nicht gerne liest, kann ja Kays Video gucken oder nur meine Kurzfassung lesen:
Das beste Mopped, dass ich in mittlerweile 47 Jahren jemals gefahren bin - wenn ich die Koffer nicht bräuchte, würde ich tauschen!
Zu den Äußerlichkeiten habe ich mich ja schon geäußert, fangen wir also mit der Funktion im Stand an:
Die deutlich Vorderrad-orientierte Sitzhaltung ist für mich schon sehr gut, mit einem etwas stärker gekröpften Lenker (den ich auch auf der Superduke wegen meiner Handgelenke montiert habe) wäre es für mich perfekt. Kniewinkel, die gefühlte Nähe zum Lenkkopf, die niedrige Sitzhöhe. Kupplung und Bremse liegen perfekt zur Hand, die (Seilzug-) Kupplung funktioniert besser als die Hydraulikkupplungen meiner SMR, der Adventure und meiner Superduke zusammen. Sie trennt einwandfrei, der Leerlauf geht superleicht rein, die Handkraft ist sehr niedrig, zudem soll sie ja eine Antihopping-Funktion haben.
Auch die restlichen Hebel fühlen sich wertig und präzise an, die Druckknöpfe haben einen klaren Druckpunkt, alles prima. Das Display war zumindest bei dem bisschen Sonne heute morgen perfekt ablesbar. Es ist scharf, bietet reichlich Information und sieht in Farbe auch noch todschick aus - will ich auch haben! Der Hintern meldet eine straffe, aber nicht unkonfortable Sitzbank, fühlt sich zumindest in der ersten Stunde etwa so wie die PP-Sitzbank meiner GT an, auf der ich es einen ganzen Tag lang schmerzfrei aushalte. Ohnehin kommt einem die 790 im Stand wie eine minimal geschrumpfte Superduke vor.
Auch wenn man das Teil anlässt, merkt man noch keinen großen Unterschied. Der Sound ist satt, das Ding bollert auch im Stand sehr erwachsen, Gasstöße werden gerne angenommen und es klingt dann schon ganz schön nach schwerem Gerät mit V-Motor. Beim ersten Losfahren kann man es dann kaum glauben: Das Teil bollert und zieht los wie eine Superduke, alles fühlt sich zunächst einmal extrem vertraut an.
Wenn man genauer hinhört und hinfühlt, merkt man, spätestens hinterm Ortsschild, natürlich doch viele Unterschiede. Fangen wir beim Motor an. Das ist, ganz ohne jeden Zweifel, ein absolutes Sahnestück. Er klingt fantastisch, auch und gerade beim Gaswegnehmen. Da liefert er reichlich von diesem unregelmäßigen Gespratzel, das auch die Superduke raushaut. Nur halt völlig unprollig und über einen viel weiteren Drehzahlbereich - klarer Punkt für die 790er. Auch beim Beschleunigen klingt dieser Motor klasse, frech, rotzig, ein bisschen aggressiv, auch etwas heller im Ton als die 1290er, aber auch nicht Fall übermäßig laut. Hier wird, zumindest soundmäßig, niemand einen Akra vermissen.
Kommen wir zur Leistung:
Viel mehr als ausreichend, wenn man auf engen Landstraßen unterwegs ist. Klar, ab 120km/h liefert er nicht mehr diesen brutalen Schub der 1290er, aber noch mal deutlich mehr als die 690er oder unsere XSR700. Dabei läuft er mechanisch seidenweich, da rappelt oder schüttelt nichts, selbst feine Vibrationen dringen nur wenige zum Fahrer durch. Ab 2000 U/Min bekommt man guten Schub, bei 4000 wir es richtig lebendig, bei etwas über 6000 wird die dritte Stufe gezündet und das Ding feuert so richtig klasse los. Viel mehr habe ich nicht gedreht, mein Exemplar hatte erst 100km gelaufen.
Im Sport-Modus hat sie allerdings die Eigenart, dass der ganze Schub schon auf dem ersten Viertel des Gashahnwegs kommt, wo danach eine Superduke noch mal mächtig zulegt, macht die 790er Feierabend. Im Streetmodus geht sie insgesamt etwas verhaltener, aber immer noch frisch und fröhlich ans Werk und braucht für vollen Schub auch mehr deutlich mehr Gasweg. Insgesamt eine super Abstimmung - lustig, mit reichlich Schub, drehfreudig und dazu mit allerfeinsten Manieren. Sie liefert zwar nicht diese brutale Explosivität wie die 1290er, ist dafür aber berechenbarer und hat, den richtigen Gang mal vorrausgesetzt, immer genug Schub, um auch mal knapp zu überholen.
Der Gangwechsel ist eine Schau für sich. Der Quickshifter liefert beim Hochschalten perfekte Arbeit und lädt ohne spürbare Zugkraftunterbrechung in ein paar Millisekunden verlässlich die nächste Stufe nach. Beim Runterschalten ruckt es heftig, das bringt beim Anbremsen in Schräglage unnötig viel Unruhe ins System. Das kann ich manuell mit Kupplung und ein bisschen Zwischengas zum Angleichen der Drehzahl deutlich besser. Meine GT macht das auch ganz ordentlich, braucht aber beim Hochschalten länger und ruckt auch etwas stärker. Runterschalten kann sie gar nicht - ist vielleicht auch besser so, s.o..
Der 790er Motor ist für die Landstraße meines Erachtens besser als der 1290er. Dieser Motor macht beim Hochdrehen keine Angst, sondern ganz einfach Spaß. Auch die Getriebeabstufung passte für mich perfekt, da erfreut man sich seines Handwerks, gibt im richtigen Gang ordentlich Schub und läßt den Motor drehen und ziehen, wo man bei der 1290 immer mit Respekt und sensibel hantieren muss und eigentlich nicht mal schalten bräuchte. Der 1290er duldet oder erzieht sogar ein bisschen zu schlechtem Stil, die 790 dagegen fördert und belohnt einen sauberen Stil.
Noch kurz zum Fahrwerk:
Auch das ist absolut gelungen: Sehr handlich, aber auch sehr stabil und vertrauenerweckend. Von der Abstimmung ist es insgesamt eher auf der straffen Seite. Vorne ist es für meine Gewichtsklasse (70kg Abtropfgewicht) perfekt, hinten etwas zu hart und auf schlechten Strecken zu stößig. Aber die Karre war ja brandneu, vielleicht wird es ja noch etwas sämiger - außerdem braucht man ja auch Dämpfungs- und Federweg-Reserven für den Sozius.
Die 790er lenkt zwar nicht ganz so leicht (oder sollte ich hektisch schreiben?) ein wie eine SMC-R oder auch eine Duke-R, aber immer noch deutlich leichtfüßiger und direkter als meine 1290, die sich dagegen wie ein schwerer Dampfer anfühlt. Im engen, bergischen Land und sicher auch auf Alpenpässen eine echte Offenbarung! Die nächste Offenbarung: Ihre ausgeprägte Neutralität. Das Ding liegt nach dem Einlenken einfach in jeder Lage bolzstabil und völlig frei von Haltekräften in der Kurve. Selbst heftige, provozierte Bremsmanöver in satter Schräglage bringen sie absolut nicht aus der Ruhe - kein Aufstellmoment - gar nichts! Auch die GT ist mit dem CRA3 diesbezüglich schon richtig gut, aber gegen die Neutralität der 790er in jeder Lage muss sie sich klar geschlagen geben.
Kommen wir zu den Bremsen:
Das ist eine der ganz wenigen Stellen, wo die GT gegenüber der 790er punkten kann, denn da liefert die GT vorn mehr Initialbiss, mehr Dosierbarkeit und benötigt dafür auch noch weniger Handkraft. Aber, wer weiß, vielleicht war die 790er ja auch nur zu neu, so was bessert sich oft im Laufe des Einfahrens. Und wenn nicht, würde ich mal 70 Euro in die roten Brembo-SA-Beläge investieren. Die haben schon bei anderen Moppeds kleine Wunder bewirkt.
So, ich habe fertig. Wir werden, spätestens im nächsten Jahr, so ein geiles Teil in der Garage stehen haben. Entweder für mich als Ersatz für die GT, für meine Frau (z. Zt. MT07) oder für meinen Sohn, der im nächsten Jahr sicher von 48PS auf offenes Gerät umsteigen wird. Vielleicht noch ein Wort zum Vergleich mit unseren Yamahas: Das sind (mit Öhlins und Wilbers gepimpt) wirklich tolle Motorräder, in absolut jeder Beziehung. Und in genauso jeder Beziehung ist ihnen die 790er überlegen. Mehr Druck, mehr Sound, mehr Bremse, mehr Fahrwerk, mehr Neutralität und, vor allem, noch mehr Spaß.