Dass die KTM-Empfehlung von Shell auf Motorex gewechselt hat, ist wahrscheinlich nicht auf technische Gründe zurückzuführen. Wahrscheinlich - d. h. ich glaube das und kann es selbstverständlich nicht beweisen. Was nützt es dir, dass ich glaube, dass es so ist? Genau so viel nützt es dir, wenn ein Händler sagt, dass das Öl XYZ das beste ist.
Ich behaupte auch, dass praktisch alle Motoröle, die du heute kaufen kannst, nicht zu einem sofortigen Motorschaden führen wird. Kann ich aber selbstverständlich auch nicht beweisen. Was ist eigentlich ein Motorschaden? Wenn es einen lauten Knall gibt und das Pleuel aus dem Kurbelgehäuse guckt? Oder wenn der Ölverbrauch 10 % höher ist als bei einem Vergleichsmotor? Oder wenn auf der Nockenwelle nach 50000 km leichte Grübchenbildung zu erkennen ist?
Was erwartest du eigentlich von einem Motoröl? Dass der Motor möglichst viel Leistung hat? Dann füll ein extrem dünnflüssiges Synthetiköl ein, das macht man bei Rennmotoren, bei denen es auch auf das letzte Quentchen Leistung ankommt. Willst du einen möglichst geringen Ölverbrauch? Dann füll ein möglichst dickflüssiges Einbereichsöl ein. Willst du einen minimalen Verschleiß an metallischen Reibflächen? Dann füll ein hochadditiviertes Synthetik-Öl ein. Willst du, dass deine Ölbadkupplung möglichst nicht rutscht? Dann füll ein Mineralöl ohne Additive rein. Die Beispiele mit so gegensätzlichen Anforderungen kann man fast seitenlang fortsetzen.
Pkw-Motoren stellen heute in fast allen Bereichen höhere Anforderungen an das Motoröl als Motorradmotoren. Schau dir mal die Ölvorschriften von BMW, Daimler oder VW an. Das sind Hersteller, die sehr unterschiedliche Motoren im Angebot haben und relativ viel Aufwand bei der Festlegung von Ölstandards betreiben. Da stellt man dann mit Verblüffung fest, dass bei einem Hersteller die Ölsorte A nur für Motortyp X zugelassen ist, aber nicht für Motor Y. Dass da ausschließlich Bestechungsgelder oder andere finanzielle Förderungen zu einer Ölfreigabe führen, ist doch ziemlich unwahrscheinlich.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn man auf eine ganz bestimmte Eigenschaft eines Öls Wert legt, findet man möglicherweise ein Öl, das besser ist als das empfohlene. Legt man darauf Wert, dass das Öl in der Summe aller Eigenschaften gut ist, wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit den empfohlenen Ölen gut bedient sein.
Wenn dir jemand unbedingt das Öl XYZ empfiehlt, lass dir seine Prüfstandsergebnisse und Laboranalysen zeigen, mit denen er den Vorteil gegenüber dem vom Hersteller empfohlenen nachweist. Hat er die, veröffentliche diese Ergebnisse, es wäre das erste Mal in der Geschichte der Öldiskussionen im Internet. Hat er die nicht, ist sein Urteil genau so viel wert, wie das eines beliebigen anderen Internetusers, inklusive aller Kinder und Brigitte-Forum-Teilnehmer.