Hi Chris,
Offensichttlich ist für Dich die Prüfstands-Chose mehr als nur Hobby, sondern Du scheinst damit beruflich zu tun zu haben.
Wenn es um die reine und wirkliche Motorleistung geht, ist der einzige Ort, an der man die "abgreifen" kann, der Kurbelwellenstumpf.
Darum ist es auch klar, wenn der Motor beieinander bleibt und das ganze Fahrzeug auf die Rolle oder den Chassis-Prüfstand geschoben wird, daß man dort allein die Leistung des gesamten Antriebs-Paketes aus Motor und Kraftübertragung mißt, und zwar am Ort dieses Outputs: dem Rad, an dem diese Prüfstände die Kraft abnehmen.
Aber ist diese Limitation so schlimm? Schließlich trifft man einen Motor nur selten außerhalb des Fahrzeuges, für das er konzipiert wurde. Letztendlich geht es doch auch nur um die Fahrleistung eines Vehikles. Die soll maximal sein/werden. Und die herausragendste Eigenschaft dabei ist nicht der Topspeed - der ist Nebeneffekt - , sondern die Beschleunigung.
Mein persönliches Ideal ist eine Beschleunigung, die so vehement ist, daß sich unter ihrer Einwirkung die Augäpfel verformen und es Sehstörungen gibt.
Die Antriebsquelle, welche dieses Erlebnis ermöglicht, ist dabei sekundär. Feststoff-Raketen scheiden leider wegen mangelnder sozialer Akkzeptanz und schlechter Verfügbarkeit aus. Stand der Technik ist eine Kolben-Brennkraftmaschine. Na dann nemm ich halt den Motor, der bereits im Werkel eingebaut ist und tune den auf maximale Effizienz.
Mit meinen Einlassungen bezüglich der Leistung am Hinterrad und der Leistung am Motor - sei es Kupplung oder Wellenstumpf - wollte ich nur auf das Phänomen hinweisen, das Du, Chris, hier aufzeigst: Rollen-Prüfstande messen KEINE (wirkliche) Motorleistung, sondern die Fahrzeugleistung, und zwar am Rad als der Kontaktfläche, an der diese Prüfstände die Kraft abnehmen.
Und so - das ist mein Vorschlag an die Community hier - laßt uns doch auf diese abgeleiteten Leistungs-Ansagen "PS an der Kupplung oder der Welle" verzichten. Denn die mißt ein Rollenbprüftstand nicht, sondern errechnet sie nach einer mehr oder weniger plausiblen Arithmetik.
Statt dessen laßt uns nur von Rad- oder Walzen/Rollenleistung reden als dem ursprünglichen Input, den ein derartiger Prüfstand wirklich mißt und überhaupt messen kann.
Klar kann man auf einem Rollen- oder Chassisprüfstand nicht den Motor eine Minute lang mit konstanter Spitzenleistung betreiben. Dafür ist so ein Prüfstand auch nicht gemacht. Das geht auch gar nicht mit einem schmalen Motorradreifen auf der Rolle und einer Leistung jenseits der 100 kw. Das dreht auf der Straße bereits durch, d.h. bringt nur mit einem deutlichen Schlupf die Leistung auf den Asphalt. Genauso ist es auf der Rolle auch.
Und genau aus diesem Grund hat die Walze des Dynojet z.B. das Schwung- oder Trägjheitsmoment, das sie hat: Sie ist ziemlich genau so schwer - oder leicht - , daß sie die Kraft vom Reifen ohne übergroßen Schlupf in sich aufnimmt.
Ich halte das für eine zwar pragmatische, aber gar nicht so dumme Optimierung für diese Art der Leistungsmessung. Aber natürlich zahlt man für diese meßtechnische Vereinfachung einen Preis: die ermittelte Leistung ist nur eine Momentaufnahme der "wirklichen" Leistung. Und für Leistungen jenseits der 150PS ist die Last zu leicht. Oberhalb dieser Schwelle beginnen diese Prüftsände zu "schwindeln" und wollen einen auf´s Glatteis führen.
Wenn man daher mit einem Rollenprüfstand arbeitet, muß man wissen, wann und wo, in welchen Lastbereichen, er beginnt, Unfug zu machen. Denn auch wenn es Unfug ist, objektiv und in Relation zu einem "ordentlichen" Prüfstand, so ist dieser Unfug immer der gleiche. Denn was diese Walzen-Prüfstande quasi anordnungsgemaß eingebaut haben, ist eine grenzwertig gute Wiederholgenauigkeit, zumindest solange nichts am Antrieb und den Rädern geändert wird.
Zu diesem "Unfug" gehört auch das Unvermögen dieser Prüfstände, konstante Last wirklich zu messen. Messen kann ich da nichts, gebe ich zu. Aber ich kann sehr wohl Fahr-und Lastzustände auf der Schlicht-Rolle simulieren, die der Konstantfahrt nahe, sehr nahe kommen. So nahe, daß man ein allfälliges Ruckeln gut reproduzieren und dann in der Folge abstellen kann.
Ganz egal, welcher Prüfstand was anzeigt, was letztendleich zählt, ist die Performance in der ganz wirklichen Welt von Straße und Rennstrecke. Jeder Prüfstand ist nur ein Werkzeug, um Verbesserungen heraus zu destilieren, die sich dort bewähren müssen.
Keine Frage, der Rollenprüfstand braucht jemanden, der Erfahrung hat und seine Stärken und Schwächen kennt. Aber dann gibt es kaum eine Abstimmungsaufgabe, die man nicht auf ihm lösen kann.
Highscore
P.S.
Genauso, wie Du ihn beschrieben hast, sieht mein Syntec aus. Diese Art der Leistungsmessung war eine der ersten Applikationen von Computer-gestützer Meßwertaufnahme und Datenauswertung. Ohne PC funktioniert dieses Verfahren nicht. Darum gab es diese Art der Prüfstände erst seit Mitte der 80er des letzten Jhrd. Also ziemlich zeitgleich mit dem PC überhaupt. Das mag/kann sich kein Junger mehr vorstellen, daß es vor dieser Zeit einfach keinen PC gab, zumindest keinen, den man kaufen konnte.
Ich stehe auf diese Form der Leistungsmessung, weil sie so elegant funktionert. In mienem Auto gehört so ein Soft-Dyno zum fixen Equipment meines privaten Motormanagements.