pasted-from-clipboard.jpgpasted-from-clipboard.jpgpasted-from-clipboard.jpgJetzt ist sie 20 Jahre alt, meine Yamaha FZS 1000 Fazer, und ich werde bald 50. Zeit sich was neues, unvernünftiges zu gönnen. In dem Alter kann man sich ja mal was gönnen, weil man es will, und nicht weil man es braucht. Daher war es nun für mich mal an der Zeit sich umzusehen, und zu testen was in den letzten 20 Jahren so passiert ist am Motorradsektor, in der 1 Liter klasse - 900ccm wie sich rausstellt.
Historie Tourensport Motorräder
Meine Fazer war damals sozusagen der Uhrahn, bzw. Das erste Exemplar der Tourensportler. Wenn man vor etwas mehr als 20 Jahren ein Motorrad wollte mit aufrechter Sitzposition und 100PS oder mehr Leistung, da gab’s einfach nix. Eine Suzuki DR Big mit 800ccm und vielleicht noch eine TDM 850 mit knapp 80PS, ansonsten nur größere Enduros wie African Twin mit ca. 60PS? Das wars. Dann kam die Fazer und hat das Feld aufgemischt. Gene vom Supersportler R1 etwas domestiziert und verpackt in aufrechte Sitzposition und fortan gewann sie fast alle Vergleichstests mit den üblichen Verdächtigen Tourenbikes. 143PS in der Klasse das was damals was neues, und ich hab mich die ersten paar Jahre diebisch gefreut wie gut das funktioniert hat.
Jetzt 20 Jahre später gibt’s alle möglichen elektronischen Helferlein, Quickshifter/Blipper, Kurven ABS usw. nur meine Fazer ist noch komplett analog: Nix Einspritzung sondern Vergaser, kein ABS, keine Fahrmodi, gar nix. Da hab ich mir die üblichen Verdächtigen 2023 mal näher angesehen:
Duke 890, ganz oben auf der Liste, dann natürlich MT-09, Street Triple, und zuletzt hat man mir von einer KTM 890 SMT erzählt. Also auf zu den Händlern und die Geräte mal getestet.
Was will ich überhaupt, was sind meine Anforderungen?
1.) Es soll kein Abstieg sein, sie muss schon mindestens so gut gehen wir die Fazer.
2.) Sie sollte deutlich leichter sein als die Fazer (233kg fahrfertig) - das sind aber alle genannten
3.) Man sollte auch zu zweit eine Tagestour damit fahren können, also ca. 300-400km. Das wird nicht sehr oft vorkommen, soll aber möglich sein, und auch der mittlerweile fast 180cm große Sohn soll hinten darauf platz haben.
4.) Tendenziell eher aufrecht sitzen als zu sehr auf Attacke, und mit entspanntem Kniewinkel
Duke 890 GP (2023)
Eine Duke wollte ich schon lange mal testen, daher hab ich mir die für den ganzen Tag geholt. Schon beim Aufsteigen war klar, unglaublich wie leicht die ist im Vergleich zu meiner Fazer, die fahrfertig 233kg auf die Waage bringt. Die 890 Duke GP knapp 190kg, also ca. 45kg weniger. Ein Fahrrad quasi. Beim ersten etwas schnelleren Gas aufmachen auf der Autobahn hab ich mich gleich kurz geschreckt wie sehr die anreißt, und musste mich richtig gut festhalten - hab dann aber breit gegrinst unterm Helm. Auch Quickshifter und Blipper hab ich gleich ins Herz geschlossen - einfach ohne Kuppeln rauf und runterschalten, das hätte ich vor 15 Jahren in den Dolomiten auch gerne gehabt. Fällt fast von alleine in die Kurven und zu zweit kann man prinzipiell auch damit fahren, aber da gibt’s vermutlich bessere Motorräder.
Dann hab ich mich gefragt, wie übertrage ich die Eindrücke von weiteren Probefahrten, so dass ich ein einigermaßen objektives Bild hab, und nicht aus dem Bauch heraus urteile, die eine ging jetzt vielleicht besser die andere, oder vielleicht doch nicht, und wie ist es im Vergleich zur Fazer?
Die objektive Metrik
Also hab ich mir gedacht, was passiert denn da beim Beschleunigen: Das Drehmoment schiebt an, und das Gewicht hält dagegen, also Nm/kg ist die Metrik. Und um das Ganze dann vergleichbar zu meiner Fazer zu haben, hab ich dann den Wert durch die Nm/kg meiner Fazer geteilt. Das dann für die wichtigen Drehzahlen von 4000upm bis 9000upm in 1000er Schritten und dann noch 9500upm- fertig ist die objektive Bewertung.
Damit hatte ich dann einen Wert pro Drehzahl der mir angibt ob das entsprechende Motorrad im Vergleich zu meiner Fazer besser oder schlechter beschleunigt. Es zeigte sich, dass die langen Arme bei der Duke, also die richtig gute Beschleunigung, bei ca. 15% über derer meiner Fazer gelegen haben muss, was die Duke im Großteil des Drehzahlbandes hat.
Die Summe der Werte zeigt dann in etwa an wie sich die Metrik über das ganze Drehzahlband verhält, also hat sie wirklich überall mehr, oder nur in bestimmten Bereichen. Die MT-09 zeigt hier ein interessantes Bild (unten deutlich schlechter, holt es aber oben wieder rein).
Damit wusste ich also ungefähr wo es hingehen sollte. Also wieder zu den Händlern, Motorräder testen…
Triumph Street Triple R (2023)
Von manchen Testern als die heimliche Siegern der 900er Klasse gesehen, obwohl sie zwar 120PS hat, wie die anderen auch, aber nur 765ccm. Die fehlenden 150ccm merkt man aber leider auch. Wenn man sie nicht konstant um die 9000upm dreht (bei 9500 hat sie max. Drehmoment von 80Nm) dann geht sie nicht so toll. Sie dreht zwar schnell hoch, weil sie kurz übersetzt ist, aber man muss halt oft 1 oder sogar 2x runterschalten um in den Bereich zu kommen wo es Spaß macht, der Bereich endet dann aber recht schnell im Drehzahlbegrenzer. Das wirklich nutzbare Drehzahlband ist meiner Ansicht nach zu klein. Sie ist zwar leicht, quirlig und fühlt sich gut an, aber meiner Ansicht nach fehlt der Punch.
Was mir sonst noch aufgefallen ist an der Streety R (nicht RS)
Positiv:
- Leicht, handlich, guter Kniewinkel, nicht zu sportlich
- Super Quickshifter Blipper, besser als bei Duke 890
- Lineare Leistungsentfaltung - dreht gut, und willig hoch
- Kurz übersetztes Getriebe mit sehr gut zusammenpassenden Gängen
Negativ:
- Bremse geht zuerst etwas leer und beisst dann erst gut zu
- Seitenständer schwer erreichbar, versteck sich unter der Fussraste
- Motor geht unten und in der Mitte nicht so gut wie bei der Duke, im Sport Modus besser, wenn man ihn bei 8.000 und darüber fährt
- Kleiner Tank - ist aber bei allen so
- R hat ein kleines Display, wo man wenig Zusatzinfo sieht, aber die Drehzahl und Gänge sind gut ablesbar
Das zeigt sich ganz klar auch in der Metrik - fast über all ca. 10% schlechter als die Fazer, nur ab 9000upm dann knapp 5% besser und bei 9500upm knapp 10% besser. Das Grinsen unterm Helm will sich nicht so recht einstellen.
Hat die Duke 890 doch über den gesamten Drehzahlbereich 15-19% mehr Schub als meine Fazer.
Also weiter testen..
Yamaha MT-09 (2023)
Im unteren Drehzahlbereich leider eher ein Bummelzug, erst ab der oberen Mitte dann richtig druckvoll, so wie es sein soll. Auch das zeigt sich in der Metrik ganz gut. Bis ca. 6000upm deutlich schwächer, um dann bei 7000upm und darüber mit vollem Druck zu kommen und bei ca. 15% mehr Schub als auf der Fazer zu bleiben. Unten herum nicht so meine Motorcharkteristik.
Positives:
- Potentiell starker Motor von der Mitte raus, unten etwas schwach, dann aber richtig gut.
- Angenehme aufrechte Sitzposition
- Zuverlässig
- Seitenständer gut erreichbar
Negatives:
- Lenkeinschlag klein
- Optisch nicht schön, kann aber mit kleiner Scheibe etwas verbessert werden. Hupe muss verlegt werden.
- Cruise control nur auf SP Version
- Bedienung umständlich (Dreh Drückrad nicht optimal)
- Kleines Display
- Fremdkörpernetz im Tank, daher kann man nicht schnell tanken, sonst geht es sofort über
- Wenig bis kein Platz für Sozius, und Griffe müssen erst zugekauft werden, und hängen dann hinten arg im freien.
KTM 890 SMT
Die SMT wurde recht spät von einem Freund ins Rennen geworfen, der gemeint hat, Versuch die, mit der kann man auch zu zweit noch gut fahren.
Die hab ich jetzt zwar noch nicht Probegefahren, aber sie verspricht ganz gut zu werden.
Die Metrik zeigt dass sie unten herum (also von ganz unten) gleich mächtig zur Sache geht mit 17% mehr Schub als meine Fazer. Sie hat bei ca. 3000upm schon mehr Wumms als die Streety ganz oben am Peak! Sie hält das Niveau in etwa mit der Duke bis ca. 7000upm, und muss dann aber die Duke 890 GP ziehen lassen, die sich dann weiter steigert, die SMT aber in etwa auf dem Niveau der Fazer verbleibt. Das Druckvolle von unten raus gefällt mir bei den Diesel PkW ganz gut, also ich denke ich werde das mögen. Bin schon gespannt wie sich das dann in echt anfühlt, wenn ich sie fahre.
Ansonsten klingt die SMT bzgl. Sitzbank, Fahrwerk (einstellbar), Tourentauglichkeit (sowohl für Sozius als auch von der Reichweite her) ziemlich gut. Hübsch ist sie halt nicht, aber das ist meiner Ansicht nach eh keine der KTMs, aber man sitzt ja drauf, und da sieht man es nicht ;-)
Und sie wäre auch wieder ein Tourensport Motorrad, wie meine Fazer, der Kreis würde sich also schließen….
Die SMT krank vermutlich etwas an den 15kg Mehrgewicht zur Duke, was halt oben spürbar wird. Unten wird es gut wegkompensiert, aber wenn man nur die Drehmomentkurven anschaut würde man sich vermutlich mehr erwarten. Die Metrik rückt also zurecht, was man alleine beim Studium der nackten Zahlen nicht sofort sehen würde. Da würde man sich wohl denke, dass die SMT unten herum deutlich besser gehen müsste als die Duke, weil sie deutlich mehr Drehmoment hat, aber das Mehrgewicht hält sie da etwas zurück.
Ein kleiner Blick zur Duke R zeigt dann wo es hingehen könnte wenn man Motor über alles stellt. Die nochmals einige kg leichtere (keine Sozius Rasten) mit etwas mehr Nm. Sie zeigt damit im gesamten Band 12% bis 30%! mehr Schub als die Fazer. Leider wird mir da vermutlich die Sitzposition zu Spitz sein, und als quasi Einsitzer ist sie damit nicht wirklich tourentauglich. Ist halt die Duke für die Rennstrecke, aber das ist nicht meine Welt - die Duke R ist quasi raus für mich, außer ich finde zufällig eine Gebrauchte die auf Soziusbetrieb und aufrechtere Sitzposition (in Richtung Duke GP) umgebaut ist.
Was mich so ein bisschen ins Grübeln bringt bei KTM ist die Haltbarkeit. Es klagen viele, aber was ist da wirklich dran? Die schweigende Mehrheit sagt nix, oder ist die Zuverlässigkeit auch 2020+ noch ein Thema? KTM Treiber, was meint ihr dazu?
Außerdem kommen ja vielleicht 2024 noch eine andere Duke mit 950ccm, und auch eine SMT-R wäre vielleicht noch möglich. Ich werde noch etwas warten, es bleibt spannend….