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1.6 Vergleichsspannung:
Und jetzt muss man noch aus den drei je senkrecht aufeinanderstehenden Kräften eine Vergleichsspannung berechnen. Da gibt es mannigfaltige Theorien, Misse wäre ganz gut. [..]
...der hiess auch mal von Mises.
Wie auch immer, KTM hat den Einzylinder nicht erfunden. Auch sind keine gottgleichen Gestalten vom Krad-Olymp gestiegen und haben der Zweiradwelt irgendeine Erleuchtung gebracht.
Okay, vielleicht eine, auch wenn man als Kunde meint, man hat eine Menge Geld hingeblättert, auch wenn man liest dass da was für irgendwas ready wäre, so bleibt am Ende der pappige Beigeschmack, dass es nur Durchschnittsware ist, die im Nachgang nur miserabel betreut wird. 'Du Kunde sollst lieber was Neues kaufen, als dass ich Hersteller mich um die Pflege des Produkts geschweige denn meine Kunden kümmere.'
Auch das Getriebe der LC4 ist jetzt nichts besonderes, von üppigem Spezial oder besonderen Leichtbau keine Spur. Abhängig von der angefragten Stückzahl bei einem Getriebewellenhersteller wird es ein Angebot gegeben haben. Was sich dann wieder auf das Fertigungsverfahren auswirkt. Je nach Wellengröße und Losgröße empfehlen sich verschiedene Verfahren, die meisten Anbieter von Getriebewellen verfügen über ebendiese.
Daher würde ich mich jetzt aus der Ferne auch hüten Annahmen zum Material zu machen, was sich wiederum ein wenig nach dem Massivumformformverfahren richtet. Wie auch immer, am Ende wird das fertige Produkt eine bestimmte Eigenschaft haben, da stimmen sich Wellenhersteller und Besteller KTM, oder noch wer dazwischen, schon ab.
Spannend sind da schon die über die Jahre gemachten Beobachtungen. Die Euro 3er hatten so um die 10 tkm Getriebeeinfahrzeit. Landete man vorher mal bei 5/6 im Zwischengang, so war das irgendwann dann weg. Viele haben sich da auf die Schaltsterne gestürzt, ob es das alles schon war? Vielleicht machen wir mal eine Notiz unter Belastungskollektiv.
Wir haben gehört und gelesen, dass die Motoren bei jeder Kilometerlaufleistung und von verschiedener Historie kaputt gehen können. Oder umgekehrt, es ist egal, wie ich meinen Motor respektive dessen Getriebe behandel, die Getriebewelle kann brechen. Mal so, dass man irgendwie auf den verbliebenen Gängen nach Hause humpeln kann. Der Bruch befindet sich dann immer am Absatz 20/25 mm, dem schon im Video besprochenen Freistich. Oder etwas dramatischer, Getrieberäder machen dicke Backen und es zerlegt alles bis hin zum Gehäuse. Machen wir eine Notiz unter Zufall.
Betroffen sind auf jeden Fall die Euro 3 und darin ein Zeitraum in den die sogenannte Duke IV fällt. Wieviele? Ich denke im Wesentlichen alle, siehe Beobachtung von zuvor, egal wieviel Kilometer, egal welche Historie.
Wieviele Schäden gab es? Das wird nur KTM Euch nicht beantworten wollen. Denke dass einige Reparaturen geräuschlos auf Kulanz von statten gingen, wenige hier im Forum landeten und andere wiederum stillschweigend so vom Kunden getragen wurden. Bei meinem Händler sind seinerzeit in den Duke IVer Jahren mit 2 oder 3 Getrieben mehr repariert worden, als Kipphebelopfer. Das ist keine statistische Auswertung, sondern nur meine Wahrnehmung. Die Maschinen werden dann eh weniger, die eine Werkstatt erreichen. Dann kommen mehr solche wie Pirat ins Spiel, wo Dritt- und Viertbesitzer zeitversetzt hingehen. Und dieser hat aktuell dort vier(?) Motoren rumliegen, von denen er nicht weiss, wie weiter.
Was ist da nun passiert? Zur Erinnerung, so arbeitet im Wesentlichen ein Motorradgetriebe: https://youtu.be/g76jmcDg5OM
Geschickt wird hin und her geschoben, teilweise sind Zahnräder halb im Eingriff aber drehen nur leer mit. Räder die so geformt sind, dass der Radnachbar halb eingeschoben werden kann. So hat das LC4 Getriebe in den letzten Jahrzehnten immer gleich ausgesehen, nichts besonders dolles oder spektakuläres. Da sind Losrad mit den seitlichen Klauen, Schieberad oder Schieberadpaar auf der Keilwellen-Verzahnung und das feste Rad 1. Gang auf der Antriebswelle. Ist ein Gang eingelegt, so drehen sich Antriebswelle und Abtriebswelle über ein Gangradpaar im festen Eingriff entsprechend der Übersetzung der Zahnradpaarung.
Besonderheiten oder Abwandlungen zu anderen Motorradgetrieben sind vielleicht das aus den Zweitaktern stammende Abdichtungssystem Getriebeausgang mittels O-Ring, Laufbuchse und Wellendichtring. 790er Besitzer mögen sich dran erinnern, wie das seit Jahrzehnten bekannte Dichtungssystem "einfach so" auch mal undicht ausgeliefert werden kann.
Die Losräder sind mit Nadellagern gelagert, es gibt einfachere und günstigere Möglichkeiten. Persönlich finde ich sie auch etwas störanfällig in Hinblick auf Schmutzeintrag durch das Motoröl.
Am spannendsten finde ich aber die Änderung beim Sicherungsring auf der Welle. Oben gefragt, habe ich dann doch mal nachgeschaut, seit wann ist dieser ominöse Spiralring verbaut? Ein Blick in die Teilelisten 2009, 2012 und 2019 soll Erkenntnis schaffen.
Erste Verblüffung, der 25er Sicherungsring ist gleich 5x verbaut. 3x auf der Abtriebswelle, 2x auf der Antriebswelle. 2009 steht da noch so nett Seeger V-Ring AV25 bzw. Sprengring auf der Liste Abtriebswelle. In 2012 nur noch Sicherungsring d25, welcher der schon oben erwähnte wie gezeigte Spiral-Sicherungsring ist.
Nochmal kurz mit den Notizen von zuvor verglichen, wann traten die Schäden auf, wie traten sie auf?
Mit der Liste 2019 hat sich gut was bei den Durchmessern getan. Sprich das sind dann auch die Änderungen, wie sie seit den Euro 4 Motoren verbaut sind, oder ich sie Duke V nenne. Es ist noch immer der Spiral-Sicherungsring, nun aber in der Bezeichnung XDNS-27. So wie ich sehe die Bezeichnung eines bestimmten Herstellers. Vermutlich auch in einer bestimmten besonderen Eigenschaft, auf jeden Fall aber sind die Getriebewellen dicker geworden.
Was dahinter steckt ist jetzt Spekulation. Der typische Fall wäre, dass man bei den Euro 3 Motoren durch einen geschickten Vertriebsmann und einem noch geschickteren Einkäufer bei der Montage der Getriebewellen erhebliches "Einsparpotential" erkannt hat, dass man die klassischen Seegerringe gegen die neuen Spiral-Sicherungsringe tauscht. Kein gefiedel mit der Seegerringzange, nur noch das tolle Werkzeug für die Ringe und flupp drauf sind sie. Das macht 2 sec. pro Ring, mal 5 pro Getriebe, mal Stückzahl, gleich volle Ersparnis und zweimal Bonus, einmal für den Vertriebler des Sicherungsringherstellers und einmal für den pfiffigen Einkäufer.
Hatte er noch überprüft ob die Sicherungsringnut für den neuen Ring taugt? Bedacht, dass der neue Ring dünner als der alte Ring ist. Gab es Betrachtungen über de Verwendbarkeit in Abstimmung mit der Konstruktion?
Ich denke nein. Das ganze wurde erst wieder ein Fall für die Technik, als die ersten Getriebe zu Bruch gingen.
Nochmal, mein Verdacht ist einfach nur der, dass die Ringe ihre Position verlassen. Das ist eine Beobachtung, wie ich sie von anderen Industriemaschinen schon kenne. Ist so ein Ring aus der Nut, sind mit einem Mal mehr als nur zwei Getrieberäder fest im Eingriff. Dann kann es wie aus dem Video bekannt am Wellenstumpf brechen, da kleinster Durchmesser und meinetwegen auch Schwächung durch Bearbeitung.
Oder es knallt das Schieberad 3/4 Gang mit erheblich fataleren Folgen. Ist der Ring einmal oben auf der Welle kann es den Sicherungsring zerstören, dann liegt er komplett oder als Fragment im Öl. Er kann aber auch scheinheilig wieder zurück in die Nut rutschen. Anders als ein Seegerring, der mitunter verkanten würde, der aber auch nicht einfach so aus der Nut kommt.
Wie würde ich ein Getriebe reparieren? Ersatzteile bestellen wie erforderlich. Schlamperei am Freistich vllt. mal drüberpolieren. Aber auf jeden Fall die Sicherungsringnuten vermessen und wenn passend, ganz klassisch Wellensicherungsringe verbauen. Gerne auch die aus den alten Teilelisten, da kleinere Öhrchen.
Dass da was im Argen war sieht man auch, dass mit dem Generationswechsel auf stärkere Sicherungsringe gewechselt wurde, indem man den Durchmesser anhob. Ein gutes Beispiel für engineered Wahnsinn, vorne aus nichtigem Grund an der falschen Stelle Kosten gespart und hintendran die Konstruktion geändert, dass es am Ende zusammen mit den Reparaturen nett teuer kam.
Grüssle
hombacher
Achso, weihnachtlich entsprechend wünsche ich mir, dass das KBA die werte KTM auffordert einen Rückruf zu initiieren. Ich sehe auch, dass das Schadensereignis eintreffen kann und dann erhebliche Schäden für den Fahrer möglich sind.