Reifen für die KTM – Gesetze, Bestimmungen, Verordnungen, Interpretationen
Bauarten: diagonal, bias-belted und radial
Wer sich für die genaue Beschaffenheit der Bauarten (Karkassenaufbau, Materialien usw.) interessiert, sei z.B. an Wikipedia (Stichwort: Motorradreifen) verwiesen.
Bezeichnungen und Kennzeichnungen:
Für Motorräder werden alle Bauformen angeboten.
Die Begriffe „Diagonalreifen“, „Diagonal-Gürtelreifen“ und „Bias-Belded“ werden häufig synonym verwandt, was aber wohl nicht korrekt ist.
Nur „Bias-Belted“ und „Diagonal-Gürtelreifen“ bezeichnen die gleiche Bauart.
Der „Bias-Belted“ ist eine Weiterentwicklung bzw. eine Variante (ADAC) des „konventionellen“ Diagonalreifens (Reifenhändler reifendirekt: „Der Diagonal-Gürtelreifen (Bias-Belted) stellt die Vorstufe zum Radialreifen dar, da die Karkasse zwar noch diagonal ist, aber ein Gürtel, meist aus Kevlar, vorhanden ist. Verwendetes Material ist meist Nylon oder Rayon mit Kevlargürtel. Der Gürtelreifen ist rein äußerlich an dem B (Bias-Belted) in der Reifengrößenbezeichnung zu erkennen.“) Fast Wortgleiches kann man beim ADAC lesen.
Womit auch die Kennzeichnung geklärt wäre:
Bias-Belted-Reifen tragen ein B, Radialreifen ein R, konventionelle Diagonalreifen haben keine zusätzliche Kennzeichnung.
Doch auch hier gibt es noch einen Fallstrick:
Während das „B“ noch eindeutig den Bias-Belted ausweist, steht das R auch für den Geschwindigkeitsindex, nämlich für Reifen bis 170km/h.
Entscheidend ist dann, wo sich das R auf dem Reifen befindet:
Ein fiktives Beispiel:
150/70 R18 70T
Steht das „R“ vor der Angabe des Felgendurchmessers in Zoll (hier 18), gibt es die Bauart „Radialreifen“ an.
150/70 18 70R
Steht es nach der letzten genannten Zahl, dem Lastindex (hier 70), steht es für die zulässige Höchstgeschwindigkeit: 150/70-18 70R. Hier wäre das ein Diagonalreifen mit 170km/h.
Also:
Steht neben der Durchmesserangabe der Felge in Zoll, bei der 790 Adv. also 18 oder 21, kein Buchstabe, dann ist es ein „konventioneller“ Diagonalreifen.
Nach meinen Forschungen trifft das häufig auf die angebotenen Vorderradreifen zu, z.B.:
Heidenau K60 Scout 90/90-21 54T TL (= 90mm breit, 90mm hoch, 21 Zoll Felge, Diagonalreifen (da kein Buchstabe neben der Felgengröße), 212kg Last, TubeLess schlauchlos.
Pirelli Scorpion Trail II 90/90-21 54V TL
usw.
Damit dürfte sich die hundertfach gelesene Behauptung „Radial- und Diagonalreifen dürfen am Motorrad nicht gemischt werden“ wohl als falsch erwiesen haben.
Radial- und Diagonalreifen mischen?
Das Mischen von Radial- mit Diagonalreifen ist meiner Meinung somit nicht nur erlaubt, sondern im Motorradbereich unvermeidbar, da für die meisten in Frage kommenden Reifenpaarungen gar keine einheitlichen Bauformen, also rein radial oder diagonal, angeboten werden.
Dazu ein Blick in den Text der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO):
„[...](6) An Kraftfahrzeugen – ausgenommen Personenkraftwagen – mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 km/h und an ihren Anhängern dürfen die Räder einer Achse entweder nur mit Diagonal- oder nur mit Radialreifen ausgerüstet sein. Personenkraftwagen sowie andere Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 km/h und ihre Anhänger dürfen entweder nur mit Diagonal- oder nur mit Radialreifen ausgerüstet sein; im Zug gilt dies nur für das jeweilige Einzelfahrzeug. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die nach § 58 für eine Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h gekennzeichneten Anhänger hinter Kraftfahrzeugen, die mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h gefahren werden (Betriebsvorschrift). Satz 2 gilt nicht für Krafträder – ausgenommen Leichtkrafträder, Kleinkrafträder und Fahrräder mit Hilfsmotor.[...]“ (gesetze-im-internet.de, Bundesamt für Justiz)
Aber vielleicht kann jemand von euch, der mit solcherlei Juristerei per du ist, einmal Stellung nehmen?
Profiltiefe:
Die Mindestprofiltiefe beträgt 1,6 mm, egal ob PKW- oder Motorrad- und egal ob Sommer- oder Winterreifen (siehe StVZO, §36).
Reifen von zwei Herstellern auf einem Motorrad?
Jetzt wird es wieder richtig schwierig. Von „alles erlaubt“ bishin zu „strengstens verboten“ findet man in Foren und Internetbeiträgen jede mögliche Interpretation.
Ich versuche eine vorsichtige Annäherung.
In der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung findet sich dazu m. E. nichts.
Also dürfte die nächste „Instanz“ die Zulassungsbescheinigung sein.
Was steht dort zu lesen? In meinem Fall nur die Größenangaben der zu fahrenden Bereifung:
90/90-21M/C 54R M+S TL
150/70-18M/C 70R M+S TL
Das „M/C“ steht für „MotorCycle“. Der ADAC (Reifenkennzeichnung und Vorschriften, PDF 20.01.5000 – IN 26637 – Stand 07-201):
„[M/C]Reifen ist ein Motorradreifen und bestimmt für die Verwendung auf Felgen mit M/C-Kennzeichnung. Diese Aufschrift ist nicht für alle Motorradreifen erforderlich und erst für Reifenproduktionen seit Juni 2003 vorgeschrieben.“
Nun ist die 790er nicht mein erstes Moped und ich weiß, dass es z.B. bei den Weißblauen in den Papieren den Vermerk „Reifen von einem Hersteller“ o.ä. gab. In diesem Fall dürfte es keine Fragen geben.
Oder in den Papieren meiner 990 Adv. stand zu lesen: „Reifenfabrikatsbindung gem. Betriebserlaubnis beachten“. Anfangs durfte (ohne weitere Vorführungen und Eintragungen) nur der Pirelli Scorpion MT90 gefahren werden. Später gab es von KTM weitere Reifenfreigaben.
Genauso eindeutig ist der Sachverhalt natürlich auch, wenn eine konkrete Reifenbindung eingetragen ist.
Aber wenn all jenes nicht in der Zulassungsbescheinigung steht, dürfte der Umkehrschluss erlaubt sein, dass nämlich alle Reifen mit den entsprechenden Maßen und Indexen zulässig sind, oder?
Meines Erachtens müssten in dem Fall auch die Kombinationen unterschiedlicher Hersteller erlaubt sein. Von der Sinnhaftigkeit und/oder Praxistauglichkeit einmal abgesehen.
Inwieweit beispielsweise eine Versicherung sich um die Schadenserstattung im Haftpflicht- und/oder Kaskofall herumdrücken kann, vermag ich nicht zu beurteilen.
Die Allianz stellt jedenfalls schon einmal gehörige Schwierigkeiten bei Mischbereifung im Versicherungsfall an:„[…] Bei der Kaskoversicherung kann aber geprüft werden, ob der Unfall daher rührte, dass Ihre Bereifung eine dauerhaft erhöhte Gefahr ist. Ist dies der Fall, hat man es vorher nicht bei der Versicherung angezeigt und schädigt dann Dritte oder sich selbst, kann das teuer werden. [...]“ und
„Stellen Sie& Ansprüche an einen Unfallgegner, könnte es zudem sein, dass Ihnen wegen der ungeeigneten Bereifung eine Mitschuld angerechnet wird.“ (allianz-autowelt.de)
Aber in diesem Thread sollte es ja ausschließlich um den rechtskonformen Gebrauch von Motorradreifen gehen.
Und insofern würde ich sagen: Mischen von Herstellern und Bauarten ist zulässig, sofern Größen- und Indexvorgaben erfüllt werden.
Winterreifen auf dem Motorrad
Im § 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) (Straßenbenutzung durch Fahrzeuge) sind neben einigen Sonder- und Nutzfahrzeugen auch einspurige Fahrzeuge von der Winterreifenpflicht ausgenommen.
Also: keine Winterreifenpflicht für Motorräder.
Allerdings sagt das nichts über die juristische/versicherungstechnische Beurteilung eines Unfalls mit Sommerreifen auf verschneiter/vereister Fahrbahn aus. Anderes Thema...
Alter der Reifen
Kurz: der Gesetzgeber legt kein Höchstalter für Motorradreifen fest – jedenfalls konnte ich nichts dazu finden.
Reifenfreigaben
Die bekannten Reifenfreigaben, die man seitens der Reifenhersteller oder auch der Fahrzeughersteller erhalten konnte und kann, haben wohl seit 2019 ihre verbindliche Bedeutung verloren und können wohl nur noch als „Hilfspapier“ betrachtet werden.
Haltern aktueller Motorräder mit einer EG-Typgenehmigung und im Serienzustand kann das wohl egal sein und dazu gehört ja die aktuelle 790 Adv.
Denn hier darf sogar ein anderer Herstellerreifen gefahren werden, wenn der ausgewählte Reifen in der Größe und allen anderen Parametern (Indexen) gleich oder besser ausfällt als der eingetragene Reifen (Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Beurteilung von Rad-/Reifenkombinationen an Krafträdern, 23.03.2021).
Aber auch für all jene, die keine Reifen mit der exakt eingetragenen Größe mehr kaufen können, oder die Größenangaben in Zoll in den Papieren stehen haben und jetzt auf „Metrisch“ wechseln müssen, scheint es Entwarnung zu geben. Da kompliziert, zitiere ich den Absatz aus vorheriger Quelle:
„Fall 1b: Abweichende Reifengröße innerhalb der freigegebenen Reifengrößen
Verwendet wird ein typgenehmigter Reifen der gleichen Reifenbauart (*),
- der nicht schmaler als der schmalste im COC bzw. in der ZB Teil I genannte zulässige Reifen ist und
- der nicht breiter als der breiteste im COC bzw. in der ZB Teil I genannte zulässige Reifen ist und
- dessen Abrollumfang gemäß Herstellerangabe (z. B. Reifenkatalog) nicht geringer als der Abrollumfang des im COC bzw. in der ZB Teil I genannten zulässigen Reifen mit dem geringsten Abrollumfang und nicht größer als der Abrollumfang des im COC bzw. in der ZB Teil I genannten zulässigen Reifen mit dem größten Abrollumfang ist und
- dessen übrige Reifenparameter z. B. Tragfähigkeitskennzahl, Geschwindigkeitskategorie gleich oder höherwertig sind.“ (Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Beurteilung von Rad-/Reifenkombinationen an Krafträdern, 23.03.2021)
Sofern diese Parameter allesamt erfüllt sind, darf auch ein Reifen anderer Bauart als der eingetragene verwendet werden (gleiche Quelle). Also ein Radialreifen statt eines Diagonalreifens oder umgekehrt.
Bei Nichterfüllung ist eine entsprechende Vorführung und Eintragung notwendig. Details dazu auch in o.g. Papier.
So, hoffentlich lag ich nicht zu sehr daneben! Und daran denken: alle Angaben ohne Gewähr!
Hier die Bitte um eure Richtigstellungen und Ergänzungen – möglichst auch mit Belegen, Zitaten.
Dank und Gruß
punKTuM