Maximales Drehmoment - Eure Erfahrung

  • Moin,

    ich pack mal den Artikel hier mal rein. Finde ihn persönlich sehr gut. Wurde woanders gelöscht.


    Drehmoment – Muss das sein? – Teil 1/2
    Das Thema Schraubverbindungen und Drehmoment ist eine komplexe Sache. Wir werden euch in diesem Artikel die Zusammenhänge, wo nötig vereinfacht, erklären, die…
    matsch-und-piste.de


    Gern Eure Erfahrung:


    inspiriert durch eine andere Diskussion 🥴 - Folgende Situation:


    Ich hatte aufgrund einer für mich missverständlichen Deklaration in der Bedienungsanleitung das Anzugsdrehmoment an einer Armatur um ca. 70 Prozent überschritten. Material Alu. Schraube: Titan ab Werk.


    Wie sieht das mit Gewinden erfahrungsgemäß/technischem Verständnis bei Euch aus.


    - entweder oder: es reißt oder bleibt stabil

    - es reißt nicht - aber ist geschädigt, sodass es irgendwann zum Abriss kommt. Auch wenn es mit dem erforderlichen Drehmoment angezogen ist?


    Lg

    Marc

  • Material und Festigkeitsklasse?


    Nach fest kommt ab :grins:

    Je leerer der Kopf, desto hochnäsiger lässt er sich tragen.

    Wenn Arschlöcher mich nicht leiden können, habe ich alles richtig gemacht.

  • Zugfestigkeit - Werkstoffkennwert


    Für unlegierten Stahl sieht das so aus:


    pasted-from-clipboard.png


    pasted-from-clipboard.png


    Wenn Du den elastischen Bereich (rot markiert) einer der Materialpartner verlässt, dann ist eine Materialschädigung die Folge.


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    Je nach Material sieht das immer unterschiedlich aus.

    pasted-from-clipboard.png



    Drehmoment und Vorspannkraft hängen zusammen:


    Anziehverfahren | Schraubtechnik | Drehmoment


    Einfach gesagt: Ist das Drehmoment zu hoch, wird die Vorspannkraft zu hoch, das Material verlässt irgendwann den elastischen Bereich, wird geschädigt (plastisch verformt) und bricht irgendwann.


    Es kommt auf viele Details einer Verschraubung an, wie:
    - Materialien

    - Härte

    - Reibwerte der Verschraubungspartner

    - [...]

    -


    Man kann also NICHT irgendwelche Aussagen treffen, wenn man nicht alle Details kennt.

    Totaler Unsinn ist jedenfalls die typische Forendiskussion, ob Drehmomentwert für XY nun 10,3Nm, oder 11,424521Nm sind.

    Allein durch Verschmutzung der Gewinde stimmt das Drehmoment meist sowieso nicht (zu gering, da die Reibung durch Verschmutzung zu hoch wird, die für die Verschraubung vorgesehene Kraft allerdings nicht ausreicht).



    ---


    Ich handhabe es so:
    Alles was "nicht ganz so wichtig" ist, wird von nach Gefühl angezogen.

    Irgendwelche Deckel ziehe ich eigentlich immer von Hand an.

    Einen Drehmomentschlüssel verwende ich vor allem beim Motor (Innereien), oder bei kritischen Fahrwerksteilen (PKW/Motorrad).

    Bei beispielsweise Alugabelbrücken mit niedrigen angegebenen Drehmomenten mache ich die Schrauben penibel sauber und ziehe mit Drehmomentschlüssel an, da hier eine ungleichmäßige Verschraubung zu Verspannungen in der Gabel führen können.

    Meist zieht man von Hand auch zu fest an und eher selten zu wenig. Kannst Du ja selbst mal testen...

    Achtung: Bei Verschraubungen Stahlschraube in Alugewinde immer VORSICHTIG sein. Es ist schon oft vorgekommen, dass irgendwelche Drehmomentwerte falsch angegeben wurden und durch stumpfe Verwendung des Drehmomentschlüssels dann nachher das Alugewinde geschädigt wurde.
    Typische Beispiele sind die eben erwähnte Gabelverschraubung, oder die Gewinde, die öfter an Federbeinen zu finden sind.

  • Danke fürs Feedback. Sehr interessant. Ich handhabe es im Prinzip auch immer so. Und hatte noch nie Probleme. Wohl aufgrund der einkalkulierten “Reserven”.

    In meinem Fall poppte es gestern auf. Ich sehe es auch so: nach fest kommt ab. Also entweder es ist im Eimer. Oder es hält.

    Ps: werden Drehmomente verfälscht, wenn die Schrauben quietschend reingehen? Hier Titan in Alu. Alles ab Werk ?

  • Ps: werden Drehmomente verfälscht, wenn die Schrauben quietschend reingehen? Hier Titan in Alu. Alles ab Werk ?

    Ja.


    Obige Versuche berücksichtigen die reine Längenänderung. Beim Schrauben kommt allerdings eine weitere Komponente, die Drehung, hinzu.

    Fachlich korrekt Torsion genannt. Auch hier kann man sich die Schraube wie eine Feder vorstellen. Material abhängig gibt es früher oder später auch hier plastische (bleibende) Verformung, aber in kleinem Maß ist es wie bei einer Feder.


    Beim Einschrauben (Drehbewegung) gibt es im wesentlichen zwei Reibfälle. Jeder davon nimmt Moment auf. Die Reibung im Gewinde und die Reibung unter dem Schraubenkopf. Die Reibung ist immer abhängig vom Reibwert (Hemmung) und der "Anpresskraft".


    Beim Schrauben geht es in der Regel darum eine Klemmkraft zu erzeugen (Teile zusammen zu drücken). Das erreicht man durch die Drehung und sie Gewindesteigung. Somit ist die Unterkopfreibung erst im angezogenen Zustand relevant (merkt man gut beim Lösen ist das Moment in der Regel sehr hoch).

    Die Gewindereibung ist die für die Schraubenauslegung und Berechnung schwerwiegendere. Bei kritischen Verbindungen werden die Gewinde mit Beschichtungen richtig "eingestellt". Beispiel Zylinderkopfschrauben werden geölt. Schafft man es bei dünnen, sehr langen Schrauben nicht die Reibung (Hemmung) zu überwinden, dreht man die Schraube einfach ab ohne Klemmung zu erzeugen. Aus diesem Grund reißen bspw. Schrauben in durchgangslöchern beim Lösen manchmal ab. Hier ist die Gewindehemmung zb. durch Rost so groß, dass das eingeleitete Moment nur Torsion in die Schraube gibt und sie aufgibt.

    Titan in Alu hat gerne mal das Problem, dass beide Materialien mit einander "beißen" heißt die Reibung ist sehr Variabel. Hauptsächlich abhängig von Oberflächen (Alterung oder Beschichtung, die evtl. mal aufgetragen wurde aber durch Benutzung abgerieben ist).

    Wenn es quietscht ist Schmierung angesagt. Ein Tupfer Fett wirkt wunder :Daumen hoch:

    Super Duke R '19:Daumen hoch: & 701SM

    Aprilia SL Falco, GSX750R, Vespa GTS 300, GasGas TXT300

  • Danke für die Ausführung. 😄. Also ist es in meinem Fall möglich, dass das zu hohe Anzugsmoment bei meiner Armatur wegen des starken Quietschens gar nicht so viel zu hoch war, wie ich dachte? Fest ist alles.

  • Da es ein sehr allgemeines Thema ist, passt es besser bei Talk rein.

    only race Super Duke 990 chili red, SMR 560 Chili Spezial, RC8R, FS 570

    Only dunlop kr106/108

  • Aber obacht:
    Schmierung erzeugt weniger Reibung im Gewinde, damit wird bei gleichem Drehmoment die Schraube (also der nicht im Gewindegang befindliche freie Teil der Schraube, insbesondere zu beachten bei Schrauben mit großer freier Länge (Dehnschrauben)) bis zum Erreichen des Drehmomentes mehr gelängt wie ohne Schmierung und kann daher abreißen.


    Daher gilt es immer die Vorgaben für die Verschraubung zu beachten, meist ist angegeben ob das Gewinde gefettet sein soll oder nicht.


    Ein echt komplexes und oft unterschätztes Thema!

    Gruß Axel

  • Alle Leute glauben Drehwinkel wäre genauer. Ist es aber nicht ganz so weil vor dem Drehwinkel immer ein relativ niedriges Anzugsdrehmoment vorgeschrieben ist, bspw. 130Nm+-5% zzgl. 90°.

    Der Trick bei den Dehnschrauben ist die konstantere Vorspannkraft weil die Schraube sich "dehnt wie ein Kaugummi" und im gewissen Rahmen sich die Kraft kaum mehr ändert. Man muss aber auch aufpassen, weil da kommst sehr schnell ab nach fest. Drum sind Dehnschrauben immer neu zu geben.


    Am genauersten ist es wenn man das vorgeschriebene Schmiermittel nimmt und die Längung der Schraube misst.

    Pankl schreibt bei deren Edelpleuel so vor. Du misst vorher mit der Mikrometerschraube die Länge des Pleuelschraube und ziehst die solange an bis eine gewisse Längenänderung stattfand. Das ist genau!



    Das größte Problem ist die große Varianz des Reibwertes bei trockener Verschraubung.

    Mit Schmiermittel kann man auslegungstechnisch näher an die Grenze gehen weil der Reibwert weniger schwankt.

    Hab selbst mal eine Zündkerzen-Einschraubhülse für einen Großmotor ausgelegt mit allen Details.

    Am schwierigsten ist immer die Festlegung der anzunehmenden Reibwerte, ist oft ein fischen im Trüben.


    Selbst mit Drehmomentschlüssel geht man von einem Anzugsfaktor von 1,6 aus.


    Ich habe mir zwei anzeigende elektronische Drehmomentschlüssel gegönnt. Nachdem ich die benutzt habe weiß ich auch wieso das so ist. Alleine schon die Anzugsgeschwindigkeit hat eine spürbare und messbare Auswirkung auf das real aufgebrachte Drehmoment. Zieht man zu schnell an ist der menschliche Körper mit seiner Trägheit zu langsam um nach dem "knacken" schnell genug zu stoppen und man zieht zu fest an ohne es zu merken und das "knacken" wiegt einen in falscher Sicherheit. Niemals nie nicht in Etappen anziehen sondern in einem Zug bis zum Ende. Vorzugsweise mit zeitluperhafter Geschwindigkeit, niemals stoppen - es sei denn das Drehmoment ist nur zu 50 bis höchstens 70% erreicht. Haftreibung vs. Gleitreibung ist das Stichwort.


    Zu Beginn meiner Ingenieurstätigkeit führte ich selbst mal Schraubversuche durch: 9.8er M6-Bundschraube in 6mm gutem Alu-Guss - bei 9Nm kommt das Gewinde raus, bei 9mm erst bei 16Nm, bei 12mm reißt der Schraubenkopf bei 25Nm ab.

    Mit Schraubenzieher schaffe ich maximal 5Nm - typischer Schwachoni/Bürohengst eben. Drum "knalle" ich M5 nur mit dem Schraubenzieher an, weil mit der Ratsche hab ich mir sowas schon ruiniert. M6 nur mit Ratsche und Faust ohne Hebel. M8 ist eigentlich schon Idiotensicher, fast zumindest...

  • Drum sind Dehnschrauben immer neu zu geben.

    Und um es noch komplizierter zu machen, ist das noch nicht mal immer der Fall. Deutz hatte beispielsweise bei älteren luftgekühlten Motoren ein maximales Längungsmaß angegeben, bis zu dem man bereits verwendete Dehnschrauben (Beispiel Zylinderkopf) wieder benutzen darf.
    Ich denke, dass man aufgrund von Angst vor Gewährleistungsansprüchen irgendwann davon abegekommen ist.

  • Zu bedenken: bei Materialmix (bspw. Ti in Al) ist bei Überschreiten des angegebenen Drehmoments das Thema 'Kaltverschweißung' interessant. Hatte ich schon. Hat zur Zerstörung des Vorbaus geführt.

  • Zu bedenken: bei Materialmix (bspw. Ti in Al) ist bei Überschreiten des angegebenen Drehmoments das Thema 'Kaltverschweißung' interessant.

    Das hat aber nix mit Materialmix zu tun.

    Erfahrene Konstrukteure stellen sicher, dass der Materialmix passt.

    Je leerer der Kopf, desto hochnäsiger lässt er sich tragen.

    Wenn Arschlöcher mich nicht leiden können, habe ich alles richtig gemacht.

  • Es gibt ja aber auch mehr als genug Leute, die Stahlschrauben im Nachgang durch Edelstahl- oder Titanschrauben tauschen...

    Was willst du damit sagen?

    Der Konstrukteur hat das im Zweifel nicht vorgesehen. Und wenn man das tauscht, sollte man wissen, was man tut...

    Je leerer der Kopf, desto hochnäsiger lässt er sich tragen.

    Wenn Arschlöcher mich nicht leiden können, habe ich alles richtig gemacht.