Der Reitwagen Folge 230 Dez 2007:
Als Metzeler vor wenigen Jahren den Sportec Ml brachte, war das der Aufbruch in eine neue Zeit. Es war ein Meilenstein in der Reifenentwicklung. Bis dahin war es unvorstellbar gewesen, mit einem sportlichen Straßenreifen auf der Rennstrecke stundenlang vollkommen entfesselt zu wüten. Bei 35° im Schatten! Wir Tester waren damals alle etwas irritiert. Selbst auf den Hypersportgranaten riss der Grip des Ml nicht ab. Einen ganzen heissen Nachmittag lang. Normalerweise hätte es uns alle fürchterlich auf den Ziguri päppeln müssen. Weil Sportreifen eben keine Rennreifen sind und bei zu forscher Gangart überhitzen und den Grip verlieren. Das Wunder namens Ml hatte allerdings auch eine Schwäche:
die Lautleistung. Die härtesten Straßenkämpfer mörderten den hinteren Bock in 2.000 bis 3.000 Kilometern, 4.000 brauchten die Forschen, 5.000 die Coolen und 6.000 die Sanften. Der M3 soll jetzt 50 Prozent länger halten. Warum? Weil er mehr Gummi auf der Lauffläche hat. Sonst haben sie zum Glück nichts Wesentliches geändert. Also der Reifen hat immer noch diese extrem kurze Aufwärmphase, die in der Früh schon an der ersten Ampel ein Wheelie ermöglicht und das verschlafene Abbiegen am Knie beim Bäcker gestattet, und er hat noch immer diesen sensationellen Grip. In Sizilien sind wir zunächst wie die Gestörten durchs Land gebolzt, und dann haben wir auf der neuen Rennstrecke bei Agrigent den Elefanten gereizt. Anfangs hatte ich noch Probleme mit dem Vertrauen, weil die Techniker darauf beharrten, den für die Straße normalen Luftdruck einzufüllen: vorne 2,5 und hinten 2,9. Ihr Gedanke war irgendwie nachvollziehbar: „Das ist ein Straßenreifen, und wir möchten, dass Sie ihn genauso testen, wie ihn die Käufer dann fahren." Mein Gedanke war aber auch nachvollziehbar:
„Normalerweise habe ich 2,0 vorne und hinten 2,1 am Ring. Ich werde wohl oder übel heute stürzen." Was aber nicht passiert ist. Der M3 mit dem Straßenluftdruck hat alle Naturgewalten ganz locker überlebt: Kilogixxer, Rl, Fireblade, Tuono R, Ninja ZX-6R, Honda CBR 600 RR, etc. 100 Journalisten rissen wie deppert das Gas auf, der M3 brillierte: Phantastischer Grip, neutrales Einlenkverhalten, großartige Stabilität, kein Nachlassen. Auf hiesige Verhältnisse umgemünzt: Drei Stunden lang l 0-er Zeiten in Pannonien dürften möglich sein. Mit einem Straßenreifen! Tiefe Verbeugung. Lassen wir abschließend noch einen Techniker zu Wort kommen:
„Wir haben hinten und vorne eine unterschiedliche Mischung, um einerseits dem Übersteuern entgegenzuwirken und andererseits die Aufwärmphase weiter zu verkürzen. Ausserdem arbeiten wir mit verschiedenen Krümmungen. So konnten wir das Einlenkverhalten weiter verbessern und noch mehr Grip in voller Schräglage erreichen. Und durch die neue Profilgebung ist auch die Haftung im Nassen jetzt noch größer." Selbst den 0° Stahlgürtel haben sie leicht modifiziert. Ziel war noch mehr Feedback, noch mehr Stabilität beim Bremsen, noch geringeres Aufstellmoment.
Dazu Metzeler Österreich
RW: Schon der Ml war ein Wahnsinn. Erinnere mich gerne an die Hitzeschlacht in Südfrankreich. Was ist aus Ihrer Sicht die herausragendste Neuerung?
MW; Der Ml hatte eine durchschnittliche Laufleistung von 4.000 km. DerM3 bietet jetzt 6.000. Für einen Reifen mit diesem Grip eine Sensation.
RW: Die haben uns hier auf der Rennstrecke den normalen Straßenluftdruck eingefüllt. Also 2,5 vorne und 2,9 hinten. Anfangs wollte ich dem Ganzen nicht trauen, aber Runde für Runde stieg meine Zuversicht und meine Bereitschaft zum Wahnsinn. Selbst dem brutalen Druck der Tausender hielt der Reifen locker stand.
MW: Irgendwann ist der Grip natürlich zu Ende. Fürs reine Rennstreckenfahren empfehlen wir den Racetek. Der M3 ist ein Straßensportreifen, der auch am Ring sehr gut funktioniert. Man kann ihn nur sehr schwer überfordern. Bietet konstanten Grip auch bei härtester Beanspruchung.
RW: Habe gesehen, wie Sie mit dem Thunfisch irr gewütet und ausgeteilt haben. Trainieren Sie oft am Ring?
MW: Leider zuwenig, gemessen an dem, wie großen Spaß es mir macht. Nächstes jahr will ich aber wieder vermehrt auf den Rennstrecken angreifen.
RW: Ihr Ziel? MW: Nicht stürzen.
RW: Danke.