Was wir mit einem Drehmomentschlüssel gerne falsch machen

  • Die Streckgrenze der Schraube (ab da verformt die sich dauerhaft) liegt deutlich höher als die angestrebte Vorspannkraft bei entsprechendem Anzugsmoment der Schraubverbindung.


    Gruß
    Jan

  • Ich halte das Video für völlig überdramatisiert, sorry für die deutlichen Worte. Wenn "fast alle Benutzer" mit einem Drehmomentwerkzeug, das beim Auslösen knackt, fast automatisch immer gleich 30 bis 50% mehr Drehmoment als eingestellt erzielen würden, dann hätte ich in meinem Leben schon so einige Schrauben und Bolzen an Gabeln, Motoren und Rahmen abgerissen, habe ich aber nicht, und das Werkzeug wäre, nebenbei gesagt, untauglich. "Ovale Gabelrohre" - ja nee is´ klar. Meine Drehmomentschlüssel, allesamt gute Mittelklasse-Handelsware, werden langsam bis zum Knacken angezogen und danach müßte ich schon bewußt mehrere Winkelgrade über das ausgelöste Spiel hinaus weiterdrehen, um einen höheren Moment zu erzielen. Wer an einem Drehmomentschlüssel reißt und nicht vollständig hirntot ist, merkt sofort, daß er, wenn er deutlich über das auslösende Knacken oder Abknicken des Schlüsselkopfes hinaus weiterdreht, auch irgendwann wieder Kraft in die Schraube einträgt. Übrigens würde man häufig durch das Weiterdrehen auch den Schlüssel ruinieren.
    Grüße
    Chris

    Meine Beiträge geben meine private Meinung wieder, ohne Anspruch auf Richtigkeit / Vollständigkeit.

    Einmal editiert, zuletzt von JustMe ()

  • Mal ganz davon ab. Bei allen Berechnungen die wir in Maschinenelemente 1 gemacht haben geht ein Anwendungsfaktor von 1,6 in die Berechnung von Schraubverbindungen ein wenn ein Drehmomentschlüssel benutzt werden soll. Natürlich heisst das jetzt nicht das grundsätzlich mit 60% mehr Anzugsmoment gerechnet wird. Da kamen noch so einige andere Faktoren hinzu. Aber es wurde auf alle Fälle berücksichtigt das es Toleranzen und Anwenderfaktoren gibt.

  • Danke, JustMe, für die klaren Worte - ich sehe das ganz ähnlich. Natürlich gibt es Grobmotoriker, die nach dem Knacken lustig weiterdrehen. Daraus allerdings zu konstruieren, dass "fast alle" dermaßen unsachgerecht arbeiten, ist schlicht Panikmache. Ähnliches gilt für die Genauigkeit von Drehmomentschlüsseln. Ob eine Radschraube mit 130 oder 140Nm angezogen wird, ist eher nebensächlich. Denn in diesem Fall geht es im Wesentlichen darum, die nötige Vorspannung zur Selbsthemmung aufzubringen. Schäden an Radschrauben oder an der Felge durch plastische Verformung treten erst viel später, also bei wesentlich höheren Drehmomenten auf.


    Das gleiche gilt nicht nur für Radschrauben, sondern auch für die meisten anderen Schraubverbindungen. Es gibt allerdings bei Schraubverbindungen durchaus Fälle, die konstruktiv gegenüber falschen Drehmomenten nicht so tolerant sind. Schöne Beispiele aus dem Motorradbereich sind hier z. B. Stehbolzen (Zylinderkopf) oder Stahlschrauben in Alu- (Bremssattel) oder gar Kunststoff-Gewinden. Besonders augenfällig sind z. B. Klemmflansche. Werden sie zu fest anzogen, folgt schnell eine plastische (also irreversible) Verformung. Bei zu kleinem Drehmoment klemmt der Klemmflansch nicht. Dann geht die Vorderachse halt verloren oder der Lenker dreht sich beim harten Bremsen nach vorn weg.


    Noch eins: Bis heute sieht man in den Werkstätten oft genug noch Klempner, die einen Drehmomentschlüssel zwar kennen, aber meist nur in Ausnahmefällen benutzen. Wenn man diese Leute (oft ältere) Meister) darauf anspricht, kommen die einem gerne mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung und dem "geeichten Gefühl". Die Tatsache, dass das fast immer auch funktioniert, zeigt, dass man im Regelfall durchaus einen ordentlichen Toleranzbereich zur Verfügung hat.


    Ganz sicher ist es aber, gerade für uns Gelegenheitsschrauber, immer noch besser, einen erschwinglichen und intakten Drehmomentschlüssel auch nur halbwegs sachgerecht einzusetzen, als sich einfach auf die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit unseres Gefühls zu verlassen.

  • @ esemer: Bin ich bei dir :Daumen hoch:


    Allerdings scheint mir die Annahme des "geeichten Gefühls" der "Profischrauber" selbst mit wohlwollenden Toleranzannahmen etwas zu optimistisch.


    1. Ich arbeite am Motorrad annähernd immer mit DreMo-Schlüssel, eben weil ich Gelegenheitsdödeltintenpisserschrauber :zwinker: bin und für die Entwicklung eines "Gefühls" zu wenig Erfahrung habe. Ich kann aber dafür sehr genau einschätzen, ob das Werkstattbier gefühlt die richtige Trinktemperatur hat. Fehlertorleranz: nicht messbar :grins:


    2. Wenn ich (an meinen immer in Markenwerkstätten gewarteten Motorrädern) Schraubverbindungen löse und später mit dem korrekten Drehmoment (bzw. was der DreMo für korrekt hält, wird aber immer noch deutlich genauer sein als wenn ich "per Hand" drehe) anziehe, denke ich fast ausnahmlsos: Das kann nicht sein :staun: Das Ding war vorher sackfest und mit ordentlich Kraftaufwand zu lösen und jetzt kannst du das bis zum erreichen des Auslösens des DreMos fast mit den Fingern reindrehen :denk: (etwas übertrieben beschrieben) Also war die betreffende zuvor Verbindung nicht mit Gefühl abgezogen, sondern schlicht festgeknallt, wie geht :traurig:


    Soll heißen: In den Werkstätten wird diesem Thema nach meiner Erfahrung nur geringe bis gegen null tendierende Aufmerksamkeit geschenkt. Und wenn, dann eher bei höheren Drehmomenten, weil man da die vergleichsweise langen Schlüssel schön als Hebel nutzen kann. Sonst würden die die "Standardknarre" auch dafür nicht aus der Hand legen. Also ich riskiere lieber mit DreMo etwas über den 100% korrekten Wert zu liegen, als "mit ohne" Gefühl total daneben (und zwar immer auf der zu festen Seite).


    Ich habe das in der Fastbike (also in der Zeitschrift) als Kompetenzgepose von hazet wahrgenommen. Ohne die technische Richtigkeit zu bestreiten.


    lg
    andi

  • wir in Maschinenelemente 1 gemacht haben geht ein Anwendungsfaktor von 1,6 in die Berechnung von Schraubverbindungen ein wenn ein Drehmomentschlüssel benutzt werden soll.


    Und die Berechnungen gelten, korrigiere mich wenn ich irre, in der Regel für neue Schraubverbindungen. Keine Korrosion, keine Längungen, unbeschädigte Gewinde, definierte Fettung/nicht Fettung, ggf. Schraubensicherung. Steht i.d.R. im WHB, aber wer ließt das schon. Darum sollte man den Toleranzbereich nicht bis hinten gegen ausnutzen, weil man nicht weiß wie weit man sowieso schon drin ist.

    beware of the mantis

  • Führt sich auf wie ein Idiot bei der Anwendung, zurecht um zu zeigen wie es nicht geht, aber wie wärs mit der richtigen Ausführung und einer Kameraposition auf der man sieht was er überhaupt tut?
    Oder musss ich jetzt Geodore Rutschkupplung kaufen um das überhaupt richtig hinzubekommen?
    Das Video is so ziemlich für gar nix außer Werbung für Geodore Rutschkupplungsschlüssel und Panikmache.
    Ich ziehe auch mit der normalen Knarre keine M6 o.ä. Schraube mit 100 U/min an und häng mich auf die Ratsche wie ein blöder da würde einem der beste Drehmomentschlüsdel nicht helfen.

  • Hardy: Nein das ist schon richtig. Wobei in den Berechnungen natürlich die Längung der Schrauben und auch das Setzen mit berücksichtigt werden. Wollte aber im Grunde damit nur sagen das wenn man mit nem halbwegs gut funktionierendem Drehmomentschlüssel und etwas Feinmotorik arbeitet, so schnell nicht aus dem Bereich das Funktioniert noch heraus kommt. Das offensichtlich beschädigte Schrauben, oder Dehnungsschrauben wie am Kopf aus zu Tauschen sind und wie diese zu behandeln sind sollte jedem dann auch klar sein. Wenn nicht sollte man diese Arbeiten dann aber auch nicht selber durch führen.

  • bikeaholic:
    Genau so wollte ich die Sache mit dem Gefühl verstanden wissen! Ich würde auch gerne mal einen dieser alten Meister gegen einen DrehMo antreten lassen.


    Im übrigen bezweifle ich nicht nur, dass die alten Meister ein hinreichend geeichtes Gefühl haben, sondern auch, dass sie alle im Werkstatthandbuch angegeben Drehmomente der von ihnen beschraubten Moppeds im Kopf haben. Aber, wie gesagt, im Regelfall ist das Gefühl der Profis ja zum Glück noch ausreichend, aber ich kenne auch Gegenbeispiele aus leidvoller, eigener Erfahrung.
    .

  • 1. Wo ist das Problem wenn ein Unternehmen über das was es macht Informiert? Nennt man, glaube ich, Werbung.
    2. Was unterscheidet jetzt der JP Youtube Kanal? Isse Werbung middi JP aus Do`tmund.


    Jungs, es ist doch vollkommen in Ordnung wenn man sich jetzt Gedanken über die richtige Nutzung eines Drehmo macht, oder?


    Und es gibt diese Grobmotorischen Doppelknacker die dem eingestellten Werten immer noch nicht glauben.
    Ganz abgesehen von meinen Freunden die Radmuttern mit dem Luftdruckschraubern festknallen.


    DAS sollten wir doch besser hinbekommen. :Daumen hoch:


    Senkrecht bleiben.

    Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser. :winke:

  • Ich glaube das du da etwas realitätsfern bist, wenn du glaubst das im Werkstattalltag tatsächlich am Schlagschrauber das Drehmoment reguliert wird.


    Ausnahmen bestätigen die Regel.

    Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser. :winke:

  • Ausnahmen bestätigen die Regel.


    Zum Beispiel meine (Auto-)Reifenbude. Die stellen zwar nicht für jede Felge neu ein, aber generell nur soviel, dass sie den korrekten Anzugswert per Hand nachsschieben.

    beware of the mantis

  • Ich wollte mit dem JP Video eigentlich nur einbringen das mechanische (evtl. auch Geodore) Drehmomentschlüssel lt. dem Herren von Hazet nicht mehr entspannt werden müssen. Zumindest die aus dem Hause Hazet. Was früher als Totsünde galt ist also heutzutage nicht mehr so dramatisch, obwohl ich meine auch weiterhin entspanne.


    Ich hab meine SchulFerien mal am Pototypenbau für einen deutschen Autohersteller verbracht, da war Doppelt knacken Programm, hab mich immer gefragt warum?


    Zum Thema Schlagschrauber mit Drehmoment, das hätte ich noch in keiner Reifenbude gesehen. Wechsle zuhause auch mit einem Billigschlagschrauber, den kenn ich mittlerweile so gut das ich weiß auf welcher Stufe und entsprechender Einwirkdauer das Drehmoment später beim Abknacken meist ziemlich genau stimmt.

  • Naja schaut man bei Gedore im Produktkatalog, dann sieht man das die Drehmomentschlüssel mit Rutschkupplung nur in den kleinen Nm Bereich zu haben sind also bis 10 Nm. Und das macht ja auch Sinn wie schon beschrieben wurde. Was ich dagegen schade finde ist, dass es keine guten und bezahlbaren Drehmomentschlüssel in diesen Bereich zu kaufen gibt. Also sagen wir mal im Bereich von 6-30 Nm. Da gibt es zwar Anbieter wie Proxxon die bezahlbar sind, welche aber auch nicht von sehr hoher Genauigkeit wiederum sind. Denn es ist doch schlimmer in diesen kleinen Nm Bereich eine Schraube zu fest anzuziehen als in den größeren Bereichen.


    Oder kennt ihr da gute Drehmomentschlüssel für solche Bereiche die nicht übertrieben teuer sind?


    Gesendet von meinen streichel Handy


    Ich habe den Proxxon PROXXON 23349 bei uns in der Firma nach 6 Monaten geprüft. 8 15 und 28Nm die Abweichung war bei allen Werten kleiner 4%.
    Ein Gedore wird da nicht viel genauer sein aber das 4 fache kosten.

    [color=#ff6600]MoGG #94 Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit :grins::wheelie:


  • wobei es die durchaus mit einstellbarem Drehmoment gibt.


    "Am Anschlag" ist auch ´ne Einstellung... :lautlach:


    Grüße
    Chris

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