Was wir mit einem Drehmomentschlüssel gerne falsch machen

  • "Die Geschichte des Drehmoments ist eine Geschichte voller Mißverständnisse" :titten:


    Ne mal im Ernst: Über die richtige Übertragung von vorgeschriebenen Drehmoment gibt es wissenschaftliche Erhebungen ( Masch-Bau-Studies kennen das ). In der Praxis ist eher das Toleranzfeld in Nm oder Ncm entscheidend. Beispiel: 4% von 3Nm sind 0,120 Nm / von 110 Nm dann eher 4,4 Nm. Das eine dürfte der Normalsterbliche nicht fühlen das andere vielleicht. Es macht ja auch einen Unterschied ob ich eine Platine im PC oder eine Radmutter vom Caterpillar-Truck anziehe.


    Theoretische Faktoren wie Unterkopfreibung, Unterlegscheiben, Rost und Fett habe hier nochmals mehr Einfluß. Da wir keine Flugzeugteile oder Treibstufen der Ariane montieren reicht m.M. für uns ein einfacher Qualitätsschlüssel aus. Dazu kann auch ein Proxxon gehören. Rahsol,Stahlwille,GARANT,Hazet etc spielen in jedem Fall eine gute Rolle.


    Zurückdrehen sollte man nur einfache Schlüssel, die den Auslösemechnismus per Stahlfeder betätigen. Durch die permante Vorspannung kann sich ansonsten der Wert verändern durch Ermüdung der Feder ( eure KTM lasst ihr ja auch nicht ein halbes Jahr voll in den Federn gezogen auf dem Transportanhänger, oder ? ). Deswegen müssen in der Industrie alle Schlüssel zum kalibrieren um die Veränderung zu korrigieren.


    Zweites Geheimnis. Neben Drehmoment gibt es auch noch den Drehwinkel.D.h. man zieht nach Drehmoment an + 20° auf der Drehwinkelscheibe ( oder elektronisch ). z.B. für Dehnschrauben im Zylinderkopf. Deswegen nicht 2x "Knack", einmal ordentlich mit Gefühl reicht :rolleyes:

  • Was soll denn beim zweiten Knack besser werden? Wenn er schon einmal ausgelöst hat, ist er doch richtig. Mehr kann nur schaden.

    Grüße


    Volker

  • Warum nicht 2x knack?


    Das ergibt sich als logischer Schluss aus dem eingangs geteiltem Video.

    Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser. :winke:

  • Also so lgisch ist das für mich noch nicht ganz. Bin aber auch kein Techniker ... :kapituliere:


    Ich habe aus dem Video verstanden, wenn ich nach dem auslösen/knack des DreMo-Schlüssels weiterdrehe, auch weiterhin (höhere) Kraft einleite. Das wäre nach meinem Verständnis der unerwünschte/schädliche Teil.


    Jetzt zum Doppelknacken (sorry, ich mach das auch, höre das so gerne :crazy: ): Ich drehe den Schlüssel etwas zurück und drücke erneut, es knackt natürlich wieder. Aber der 2. Knack erfolgt doch trotzdem wieder bei dem eingestellten Drehmoment (also, so ist es bei mir, eigentlich sofort, weil ja die Schraube schon mit dem Drehmoment angezogen ist), oder nicht? :denk: Also wenn ich jetzt behutsam 2 x knacken lasse, aber nicht über das knacken hinaus, dürfte doch nichts passiert sein, oder? Außer natürlich, dass es ineffizient, überflüssig usw. ist. Also ist auch hier der kritische Punkt das "unkontrollierte" überdrehen?


    Zum Video: Der Versuchsaufbau verleitet natürlich auch, extrem unter Einsatz des Körpergewichtes den Schlüssel zu betätigen. In "natürlicher" Lage, wie man das am Mopped-/Autoschrauben normalerweise antrifft, kann man sich ja nicht so auf den Hebel werfen.


    Aber es schadet sicher nicht, zu dem Thema etwas sensibilisiert zu werden.


    lg
    andi

  • Da hast du theoretisch Recht, allerdings kannst du bei relativ hohen Drehmomenten wohl kaum genau beim Knack aufhören, sondern drehst vermutlich noch ein Stück weiter. Beim 2ten mal Knacken drehst du dann nochmal ausverwesehen ein Stück weiter. Also lieber nur 1x Knacken und 1x ein Stück weiter drehen, als 2x ein Stück weiter drehen.

    "Runde Scheinwerfer sind immer falsch" :prost:

  • Ja, verständlich.


    Aaaber...: Kummuliert sich denn das weiterdrehen? :denk:


    Beispiel: Gewollt und eingestellt sind 100 Nm. Toleranzen des DreMoSchlüssels mal außen vor gelassen. Ich drehe bis zum knacken und schwupps - habe ich 30 Nm überdreht. Die Schraube ist also jetzt mit 130 Nm angezogen. So weit so schlecht, aber habe ich kapiert. Jetzt kommt das Kaufmannsgehilfennichttechniker-Teufelchen und flüstert: "Ob das wohl hält? War das knacken auch laut genug? War das überhaupt der DreMo-Schlüssel oder deine Kniescheiben, du alter Sack?" Diesem Psychoterror erliege ich dann natürich und "knacke" nach. Neu angesetzt (oder Schlüssel (Knarre) in eine angenehme Stellung zurückgedreht) und wieder bis zum knacken gedreht. Durchs erste mal festziehen schon etwas erschöpft, überdrehe ich jetzt aber weniger, sagen wir mal "nur" 20%. Dann überdrehe ich doch die Verbindung nicht weiter, oder?
    Weil, das wäre dann wirklich nach meinem Verständnis so, als ob ich 150 Nm mit 100 Nm "vorziehe" und mit 50 Nm nachziehe :crazy:


    lg
    andi

  • Danke, JustMe, für die klaren Worte - ich sehe das ganz ähnlich. Natürlich gibt es Grobmotoriker, die ....


    :respekt::respekt::sensationell:
    Well done!!!


    Für meinen Teil ist das Thema genau so wie Du es schreibst, geklärt. Ich benutze Drehmomentschlüssel um mich als Hobbiist versuchen zu eichen. ...um besser zu werden, wenn mal gerade keiner zur Hand ist.


    (wenn jetzt aber das Thema Gewinde an Radschrauben am PKW fetten oder nicht kommt, dann hole ich Bier und Chipos raus... ;-) )

  • Warum nicht 2x knack?


    gesendet von meinem phone

    Beispiel: Zielwert 10Nm + 4-6% Toleranz, Schlüssel löst bei ca.10,5Nm aus. Nochmals betätigen 10,5Nm + 4% Toleranz, Schlüssel löst bei 10,92 Nm. Ergebnis 9,2% über Zielwert. Das ganze kann man auch mit 50Nm oder 200Nm rechnen, kommt dann halt entsprechend mehr. Jeder Auslösemechnismus ( Feder, Kippwürfel, Biegestab oder Slippermechanismus ) benötigt Krafteinfluß- daher die Toleranzen.
    Einzig die Slipper sind überzugsicher. Bei erreichen des eingestellten Wertes rutscht der Schlüssel sofort durch, allerdings bei hohes Drehmomenten kann man sich durch das "Überraschungsmoment" schön die Pfoten verletzen . Daher gibt es die bis max. 50Nm.

  • Ist aber sehr wahrscheinlich das du beim ersten knacken die höhere Toleranz anziehst als beim zweiten!
    Schlüssel rann Zack Zack fest O :staun: 100Nm! Beim zweites Mal knacken drückt man ja zur Kontrolle also mit mehr Gefühl den drehmo. Ist bei mir zumindestens immer so.

  • Beispiel: Zielwert 10Nm + 4-6% Toleranz, Schlüssel löst bei ca.10,5Nm aus. Nochmals betätigen 10,5Nm + 4% Toleranz, Schlüssel löst bei 10,92 Nm. Ergebnis 9,2% über Zielwert.


    Und bei 20x Knacken wären wir dann bei 20Nm?


    Der Drehmomentschlüssel löste jedesmal bei 10Nm + 4-6% aus.

  • Habe gestern 286 Schrauben angezogen, 2 mal knacken ist überhaupt kein Problem weil das losbrech Moment wird nie im Leben überwunden bei gleich eingestelltem Drehmoment.
    Wenn doch dann gibt die Schraube nach was bei 12.9 bis M8 durchaus sein kann oder es ist ein o-ring zwischen den Planflächen eingeklemmt


    gesendet von meinem phone

    Ich trinke auf Gute Freunde


  • Und bei 20x Knacken wären wir dann bei 20Nm?


    Der Drehmomentschlüssel löste jedesmal bei 10Nm + 4-6% aus.

    nee, das nicht. Das addiert sich nicht unendlich. Der Maximalwert ist sicherlich nach dem zweiten mal erreicht. Die grössere Fehlerquelle ist eher der Anwender. Bei einem Lehrgang eines Herstellers sollten wir versuchen den Zielwert mit einem auslösenden Schlüssel so genau wie möglich zu erreichen- es hat kaum einer geschaft und mit weiteren anziehen ( 2x knacken etc. ) wurde der Wert noch schlechter.
    Wie komme ich auf solche Erkenntnisse (Klugscheißermodus: an ). Ich verkaufe solche Sachen schon seit 29 Jahren.

  • Der +30 Jahre alte Gedore meines Vaters stand über 10 Jahre vorgespannt in einer Ecke und war auch nachher noch gut in Schuß.


    Mit Schraubenauslegung hab ich auch so manche Erfahrung. Wenn man wirklich an die Grenze muß wird das ganz schnell super-aufwendig.
    Reibung ist ein wichtiges Thema ... mit einem riesigen Graubereich.


    Ich selbst habe einen elektronischen Drehmo.
    Da kucke ich immer auf Display beim Anzug. Und das Kind in einem spielt natürlich. Man "erfährt" auf einmal viel mehr Einflußfaktoren als man glauben möchte.
    Ich kann daher dem alten Hasen aus der Branche nur beipflichten.


    Wissend um die mannigfaltigen Einflußfaktoren erfreue ich mich an der herrlichen Simplizität meines anderen mechanischen Stahlwille-Drehmos (muß konzeptbedingt nicht entspannt werden und ist super-schnell einzustellen) und genieße das einfache Knacken.
    Als Thor lebt es sich unbeschwert...


    Das bei den Schrauben nicht mehr passiert liegt an den duktilen Werkstoffen und der 25%-Reserve die in den Anzugstabellen stecken.
    Anzugsfaktor 1.6 trotz Verwendung eines Drehmomentschlüssel hat schon seinen Sinn!
    Am genauesten ist es direkt die Längung der Schraube zu messen.
    So macht man das auch bei Pankl-Pleuel in der Formel 1.
    Da wird vorher die Schraubenlänge gemessen und dann solange angezogen bis sie ein genau definiertes Maß länger ist als vorher. Egal was die Drehmomentanzeige sagt...

  • Vergesst "4 bis 6%":
    Niemand konstruiert Verschraubungen, um da ein gewisses Drehmoment zu haben;
    bei einer üblichen Verschraubung kommt´s doch wohl auf die Zugkraft im Bolzen an!
    Diese Zugkraft ist das Resultat der Keilwirkung der Gewindesteigung um den Gewindeumfang
    und wie bei jedem Keil geht da ein erschütternd hoher Anteil der Umfangskraft
    (in die wird ja das Anzugsdrehmoment umgesetzt)
    in schlichte Reibung auf.


    Bei einer Normverschraubung M... rechnet der auslegende Techniker damit,
    dass bloß 10% in die Keilwirkung und damit in die Zugkraft gehen,
    während die restlichen 90% in etwa zu gleichen Teilen
    in der Reibung im Gewinde und der Reibung unter dem Schraubenkopf/der Mutter "verlorengehen".
    Simples Schmieren der Schraube kann weitere 20% in die Zugkraft verlagern,
    die dadurch auf den DREIFACHEN Wert steigt.
    Was sind dagegen "4 bis 6%"?


    Mich belustigen immer die laaaangen Anzugmoment-Tabellen,
    hab ich doch in einer Zeit schrauben gelernt,
    wo man ausschließlich Zylinderkopf- und Pleuelfußschrauben mit dem Drehmomentschlüssel angezogen hat.
    (Wir benutzten übrigens die billigen Feder-Drehmomentschlüssel, die das Anzugsmoment direkt anzeigen.)
    ALLE anderen Schrauben hat man nach Gefühl angezogen
    und von einem Schrauber hat man sich das auch erwarten können.
    Welchen Toleranzen sind da die Anzugsmomente unterworfen?


    Andererseits ermöglichen diese Tabellen auch dem Unroutinierten das Arbeiten an seinem Motorrad
    und das Risiko, etwas kaputtzumachen, wird dadurch doch verringert.
    Ein paar Prozenterln auf oder ab sind jedoch völlig wurscht.
    Lasst euch nicht irre machen!

    Grüße von Babsi

    Beratung und Vertrieb Fa. Myjet "Highscore"

  • In einer Zeit in der immer mehr Alu verbaut wird, und damit immer mehr Gewinde in Alu geschnitten wird, kann das jedoch schon mal fatal sein.

    Grüße


    Volker

  • Wenn man sich die Bilder im Threat 2 Bolzen am Stealth Kettenrad Abgerissen anschaut sieht man deutliche Verwerfungen im Alu des Kettenrades wo die Muttern der Mitnehmerstifte angeschlagen werden. ( Die Feilspitzen deuten genau darauf...)


    Die Vermutung ist nicht abwegig das hier mit einem zu großen Drehmoment operiert wurde was in der Folge zum abscheren der Mitnehmerbolzen geführt haben könnte.


    Uns allen ist sicher schon mindestens ein Fehler im Umgang mit Werkzeugen passiert. :motzki:


    Und nur ganz einfach gestrickte Naturen werden sich mit Händen und Füßen dagegen wehren besser zu werden und dazu zu lernen. :Daumen runter:


    Munter bleiben. :prost:

    Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser. :winke:

  • Die Kettenradbolzen sind dem Ermüdungsbruch zum Opfer gefallen https://de.wikipedia.org/wiki/Schwingbruch. Kann durch stumpfes Werkzeug bei der Gewindeherstellung zu Kerbwirkung führen https://de.wikipedia.org/wiki/Kerbwirkung.


    Mein größtes Drehmoment hatte das Ausgangsgetrieberad zum Wellenflansch m50 mit 4000Nm sieht lustig aus wenn drei mann an einem 2m langem Schüssel hängen .


    Ralph

    Mopedhistorie


    MZ Baghira - Triumph Tiger 800xc - KTM 1090A