Angenommen das Moped fährt bei 9.000 U/min. im ersten Gang 100 km/h. Dan beträgt die Drehzahl in einer 30 ziger Zone? Richtig, unter 3.000 U/min. (2,702 U/min.) (gleiche Sekundärübersetzung) Da schlägt ein großvolmiger V 2, wie die SDR mit der Kette und eine Konstantfahrt ist nicht wirklich möglich. Nicht einmal im ersten Gang!, was ja keiner will und macht. Das geht halt nur mit größerem nutzbaren Drehzahlband. Ferner macht ein erster Gang bis 100 km/h oder mehr nur auf der Renne Sinn, da er dort ein Fahrgang ist, da es Kurven auch unter 100 km/h gibt.
Das ist leider völliger Unsinn, der an der Motoren-Physik vorbeigeht:
Grundsätzlich sind Zweizylinder Motoren, die ein sehr breites Drehzahlband haben, wie z.B. die klassischen Harleys, Ducatis, Guzzis, BMWs, Nortons, usw. eindrucksvoll gezeigt haben. Die Sportlichen unter ihnen hatten auch in der Serie (Renn-)Getriebe mit extrem langem ersten Gang, der meist bis 120 km/h ausdrehbar war. Weil sie aber ab 2000 U/min - oder sogar noch tiefer - mit weichem Pulsieren sauber und ruckelfrei fahrbar waren und ab dieser Drehzahl fette Beschleunigung ohne Kettenschlagen oder sonstige Unliebsamkeiten lieferten, war das auch im öffentlichen Straßenverkehr überhaupt kein Problem. 120 km/h bei 8500 U/min macht 28 km/h bei 2000 U/min. So what?
Woher kommt es dann, dass das heutige Zweizylinder nicht mehr können, ja dass diese wünschenswerten Eigenschaften sogar in Vergessenheit geraten sind?
Da spucken uns seit Jahren die Zulassungsbestimmungen in die Suppe:
Zunächst mal brennt ein Gemisch mit Lambda 1 im unteren Teillastbereich grottig ab - der Brennraum enthält da zwangsläufig noch sehr viel Abgas vom vorigen Zyklus und mageres Gemisch verwirbelt mit alten Auspuffgasen ist eben ganz und gar nicht nicht das, was man für kultivierten Motorlauf und saubere Gasannahme benötigt. (Deshalb war bei Vergasermotoren der untere Teillastbereich immer fett eingedüst und die Leerlaufgemischschraube über die Optimalstellung gut 1/4 Umdrehung weiter herausgedreht.) Aus diesem Grund bringen Lambda-Eliminatoren oft (!) eine Verbesserung der Situation, weil sie das Steuergerät in den Kaltlaufmodus zwingen. (Ob das beim konkreten Modell sinnvoll oder vielleicht schon zuviel ist, sollte man aber unbedingt überprüfen!)
Dann hatten die Brennräume der Motoren früher ausgeprägte Quetschfalten, die die Brennraumturbulenz angefacht und damit gleichmäßiges Durchbrennen gefördert haben. Diese engen Spalten zwischen Kolbenboden und Zylinderkopf sind heute jedoch unbeliebt, da sich in ihnen kleine Teile der Ladung vor der Verbrennung drücken und für geringfügig höheren Benzinverbrauch und etwas mehr unverbrannte Kohlenwasserstoffe bzw. CO im Abgas sorgen. Das mag auch einen Teil beitragen.
Der Hauptgrund für die Drehmomentschwäche der heutigen Zweizylinder und ihre unakzeptable Laufkultur im unteren Drehzahlbereich liegt jedoch in bewundernswerter konstruktiver Raffinesse, denn nur so sind die Geräuschgrenzwerte einzuhalten. Ganz besonders das Ansauggeräusch großer Einzelhubräume bei niedriger Drehzahl stellt die Konstrukteure vor unlösbare Probleme, denn zur Schalldämmung wären design-mäßig nicht unterzubringend große Airboxen, die ja eigentlich Ansauggeräuschdämpfer sind, erforderlich. (Schaut euch nur mal zum Beispiel die riesigen Airboxen der 690er an: Deren Volumen übersteigt das des Schalldämpfers locker!) Man wählt deshalb eine Motorabstimmung, die im unteren Drehzahlbereich durch gezielte Schwingungsabstimmung drosselnd wirkt. Die Kunst liegt jedoch nicht zuletzt darin, das im oberen Drehzahlbereich ladungsunterstützend hinzukriegen und trotz erstaunlich kleiner Ansaugquerschnitte am Airbox-Eingang beeindruckend hohe Spitzenleistung zu zaubern. (Zwischen dem gedrosselten und dem unterstützten Drehzahlbereich liegt das mittlerweile leider verbreitete "Drehmoment-Loch".) Der Katalogwert der Leistung sorgt dann für verkaufsfördernde Beachtung am Stammtisch.
Ein weiteres Benefit dieser bewundernswerten Abstimmkunst liegt darin, dass durch schwingungsmäßig Drosselung natürlich auch die Abgasmengen verringert werden, was im Drehzahlbereich wo die Zulassungsmessungen erfolgen die Schalldämpfung im Auspuffsystem vereinfacht. (Der Schalldämpfer kann infolgedessen kleiner ausfallen.
Und nicht zuletzt sorgt die Drehmomentschwäche auch dafür, dass das Motorrad auf der Messstrecke weniger beschleunigt und damit nicht in Drehzahlbereiche kommt, wo der Motor echte Leistung entwickelt und durch höheren Gasdurchsatz zwangsläufig lauter wird. Da wird nicht mit 8000 U/min gemessen!
Verbreitetes und wirkungsvolles Tuning ist deshalb, diese unten drosselnden Resonanzeigenschaften der Airbox kaputtzumachen. Das ist sehr leicht möglich ist, indem man z.B. den Filter haltende Airboxdeckel oder die langen Ansaugschächte eliminiert. Das bringt bei praktisch jedem Modell solide Drehmomentgewinne im unteren Drehzahlbereich und verbesserte Laufkultur, aber man baut damit natürlich auch die Ladungsunterstützung im oberen Drehzahlbereich aus. Bis vor einigen Jahren hat das oft durch die damit einhergehende Vergrößerung der Ansaugfläche ausgeglichen, doch bei den heutigen KTMs kostet das nennenswert Spitzenleistung - der Motor wird im oberen Drehzahlbereich deutlich spürbar zäh. So einfach ist die Sache also nicht - wer wissen will, wie aufwändig sich die Suche nach einer guten Abstimmung über den ganzen Drehzahlbereich gestaltet, soll bitte meinen Artikel Highscore Was geht bei der SDR noch besser? lesen.
Es ist also ganz und gar nicht Grundprinzip, dass Zweizylinder (oder auch Einzylinder) im unteren Drehzahlbereich nicht sauber laufen können.
Noch ein Wort zur Getriebeabstufung der SDR:
Diese hat nicht nur einen erstaunlich kurzen 1. Gang sondern auch einen ungewöhnlich großen Unterschied zwischen den beiden letzten Gängen. Während die 6. Gange der beiden verglichenen Motorräder nahezu deckungsgleich sind, liegt der 5. Gang der SDR in etwa gleichauf mit dem 4. der Honda. Diese hat im Topspeed-Bereich also eine deutlich engere Gangabstufung. Die Ursache ist, dass in der KTM nach wie vor das Adventure-Getriebe werkelt, welches eine endurotypisch weite Spreizung aufweist. Das ermöglicht langsames Kraxeln im schweren Gelände und niedrige Drehzahlen auf Verbindungsetappen. Auch wenn der große Sprung zwischen 5. und 6. Superduke-Gang störend ist, so hilft die kurze 1. die Drehmoment- und Laufkulturschwächen im unteren Drehzahlbereich zu übertünchen. Ein bisschen zumindest.
Ob das der Grund ist, warum die große Duke noch immer kein Straßenmotorrad-Getriebe hat?