Nachdem wir die Eigenschaften der 690 SM ja schon über sämtliche Threads teilweise recht detailliert abgehandelt haben, wollte ich am Ende der ersten Saison noch mal meine Erlebnisse als ´Wiedereinsteiger´ mit meiner 690 SM zusammenfassen. Vielleicht gibt es den ein - oder anderen Mitleser, den das interessiert und der eine Anschaffung erwägt, und ich dachte, dass eine (wenn auch persönliche) Zusammenfassung anstatt vieler Mini-Postings mal ganz hilfreich sein könnte.
Mein letztes Moped (ist aber schon eine Weile her..) war eine KLR 250 mit immerhin 17 PS. Nach 20 Jahren habe ich mir dann überlegt, wieder ein neues Motorrad zu kaufen. Dabei wollte ich folgendes: aufrechte Sitzposition (Enduromässig), nicht zu schwer (also keine 200 kg), 50 PS erschienen mir auch ok (wenn man von 17 PS kommt, sind 50 PS immerhin 3 mal so viel). Mit dem Lesen von Motorradzeitungen habe ich wieder in 2005 angefangen, weil ich überhaupt keinen Überblick mehr hatte, was es auf dem Markt so gab. Die Erkenntnis kam dann relativ schnell, dass es die typischen Enduros als einfaches Gebrauchsmotorrad nicht mehr gab (also keine Honda XL, Kawasaki KLR, die Yamaha XT wiegt auch fast 200 kg, von der BMW GS mal ganz zu schweigen). Insgesamt also ein recht typischer Vertreter der ´Wiedereinsteiger´, welche die Motorradindustrie als Zielkunden erkannt hatte, aber noch nicht wusste, wie er oder sie wieder aufs Motorrad gebracht werden sollte.
Auf der Motorradausstellung in Fürth (Bayern) im Frühjahr 2007, einer kleinen Veranstaltung für die lokalen Händler aus dem Raum Nürnberg habe ich dann durch Zufall einen grossen KTM-Stand gesehen. KTM war mir bisher (zugegeben) ein Begriff aus dem Motocross, ich wusste gar nicht, dass es auch andere Maschinen von KTM gibt. Ich habe dann auf einer 690 SM Probe gesessen, die ich zwar schon von Phtotos und Tests kannte und fand gleich, dass a) ich gut drauf sitzen kann, so wie ich mir das vorgestellt hatte und b) sie in Wirklichkeit viel besser aussieht als auf den Bildern (dass ich mit dieser Meinung im Forum alleine sein würde, war mir aber noch nicht klar...)
Ich habe dann noch mehr Tests gelesen und eine Probefahrt verinbart, die mir folgende Erkenntnis gebracht hat: Die Sitzposition ist klasse, die Verarbeitung super, das Design gefiel mir immer noch und ich hatte das Gefühl, mich mit einem leichten aber gut motorisierten Moped nicht zu überfordern. Die Vibrationen waren weit geringer als gedacht, der Motorlauf relativ ruhig (so, dass man merkt, dass dort ein Motor lebt und arbeitet, aber ohne zu nerven), nach oben heraus mit viel Druck, aber von unten (unterhalb von 3000 U/Min) ruppig und unwillig. Das Fahrwerk fand ich fantastisch, und das Gefühl mit einem so leichten Motorrad unterwegs zu sein erinnerte mich am ehesten an Honda MTX, nur mit einem Riesen-Motor. Problem war aber auch, dass der typische Einzylinder-Bums ´von unten´ völlig fehlte, und dass ich bei engen Abbiegern in der Stadt dann bis auf den erste Gang runter muss. (Ich weiss, dass es auch im Forum Leute gibt, die behaupten, grundsätzlich nur Gänge jenseits des 3. zu benutzen, aber jeder der in der Stadt wohnt, weiss dass das gelinde gesagt Käse ist). Zum Vergleich habe ich dann noch die BMW X-Moto und die X-Country und auch noch einmal die CBF-600 gefahren. Die BMWs sind vom Fahren nahezu identisch und können vor allem schaltfauler und mehr von ´unten heraus´ gefahren werden. Das waren für mich aber dann schon die einzigen guten Nachrichten. Die Verarbeitung bei der X-Moto für 9000 Euronen war für mich einer BMW schlicht unwürdig: nur Digitaltacho (kein Drehzahlmesser, kostet im Einkauf bestimmt 20 Euro, anscheinend wird hier scharf gerechnet), sämtliche Züge laufen teils wirr über das Cockpit, und die Seitenverkleidungen der Tankatrappe (der Tank liegt unter der Sitzbank) lassen sich mit den Knien eindrücken. Insgesamt hätte ich für die BMW als Aprilia (wer es noch nicht wusste: die X-Moto wird nicht in Berlin, sondern bei Aprilia in Italien gefertigt) 7000 Euro bezahlt, aber der geforderte Preis steht in meiner Meinung einfach nicht im Verhältnis zu dem, was geboten wird. Ich habe dann noch eine zweite Probefahrt mit der 690 SM gemacht, welche den Eindruck der ersten bestätigte, beschlossen dass ich mit dem Motor leben kann und mein Sparkonto geplündert.
Gleich nach der Auslieferung kam für mich aber die Erkenntnis, dass meine SM einige Macken hatte, welche die Probefahrtmaschine nicht aufwies:
-das Vorderrad hatte eine deutliche Unwucht
-beim Schalten war mehrfach zwischen 2. und 3 sowie einmal zwischen 5. und 6. Gang kein Gang drin. Wer mal beim vollen Aufziehen den Leerlauf zwischen zwei Gängen erwischt, weiss, dass es einen dabei fast abwirft, das Ganze ist also nicht so spassig.
-der Motor ´knallte´ beim Gaswegnehmen aus höheren Drehzahlen.
- dann bin ich gleich in der zweiten Woche ohne für mich erkennbaren Grund liegen geblieben, der Motor ging einfach aus. Selbstverständlich vor einer überfüllten Kneipe...
Mein Händler hat die SM dann bei mir abgeholt, da sich zunächst niemand erklären konnte, wie dies passiert ist. Es war letztlich der Absperrhahn am Tank rechts, der noch geschlossen war. In der rechten Tankhälfte befindet sich auch der Tankgeber, und da die Hälfte nie leer wird, geht auch die Warnlampe nicht an...
Da mein Händler die SM schon einmal hatte, wurde der Vorderreifen gedreht (ich weiss, dass es hier auch Fahrer gab, bei denen bei einem ähnlichen Problem die Felge getauscht wurde). Ausserdem wurde die Einspritzung ´zurückgesetzt´, was das Knallen deutlich verringerte. Zum Getriebe wollte man erst einmal nichts tun, das sollte sich noch einlaufen.
Bei etwa 500 KM hatte ich Öl an der Ölablassschraube. Dies sollte bei der 1000 KM- Inspektion behoben werden, war es aber letzlich doch nicht, so dass ich die SM bei 2500 erneut in die Werkstatt gebracht habe. Anscheinend war es tatsächlich die Ablassschraube, jetzt scheint es halbwegs dicht zu sein.
Bei 3000 KM hatte ich dann ein nerviges Brummen aus dem Cockpit. Wie sich gerade herausgestellt hat, hatte sich die Schraube der Sitzbankhalterung gelöst, und die Vibrationen verbreiten sich über den Rahmen, so dass es klingt, als käme der Krach aus dem Cockpit. Für meinen Händler war das neu, er hatte dann aber gleich noch einen zweiten Kunden mit dem gleichen Problem, dem er dann schnell helfen konnte (Bei meiner SM wurde noch das Cockpit abgebaut).
Aktuell habe ich 3600 KM gefahren, immer noch mit dem ersten Reifen (Battlax). Den kaufe ich mir nie wieder, er hat die unangenehme Eigenschaft, beim Blockieren kein Geräusch von sich zu geben. Man merkt eigentlich erst, dass man schon eine Vollbremsung hinlegt, wenn das Hinterrad wandert.
Folgendes hat sich zum Guten geändert:
- zwischen den Gängen bin ich seit KM-Stand 2500 nie wieder geblieben. Bei der Inspektion haben wir den Schalthebel eine Raste nach oben gestellt, das hat vielleicht auch mitgeholfen. Das Getriebe schaltet sich jetzt einwandfrei und sehr weich. Das in einem anderen Thread beschriebene ´zweistufige´ Schalten habe ich auch nicht.
- der Motor läuft insgesamt weicher, bereits im Stand akustisch ruhiger und nach oben freier. Das Auspuffknallen hat deutlich abgenommen. Ausgehen tut er auch nicht (das ist mir nur ein einziges Mal passiert), ich habe sie aber auch einmal 15 Minuten ohne Gas laufen lassen, das hilft anscheinend.
- das Fahrwerk scheint ebenfalls ´eingelaufen´. Ich hatte bei den ersten Fahrten das Gefühl, meine SM ist (im Vergleich zur Vorführmaschine) relativ störrisch, dieses Gefühl ist jetzt weg.
- derzeit kommen keine Kinderkrankheiten nach.
Mein Fazit also: ich fahre meine SM wirklich unglaublich gerne, und das Gefühl mit einem ´Supersausemotor´ (MO) über die Landstrassen zu brettern, ist einfach unbeschreiblich. Es war so etwas wie ´Liebe auf den zweiten Blick´, die hält aber heute auch noch. Fahrwerk, Motor, Sitzposition und Verabeitung finde ich super. Gewünscht hätte ich mir weniger Kinderkrankheiten, das war mir auch eine Lehre für das nächste Moped: es ist toll, ein Fahrzeug zu haben, welches richtig ´neu´ ist, aber auch die Werkstätten müssen erst einmal lernen, was so alles an Fehlern auftritt, und ohne eine gute Werkstatt (die man dann auch oft sieht), ist man aufgeschmissen.
Und ganz wichtig: viel Spass hatte ich auch mit all den vielen wichtigen, lustigen und manchmal auch nur sinnlosen Postings hier im Forum. Mein ganz besonderer Dank geht an Mario, dass er so eine tolle Sache auf die Beine gestellt hat.
Euch allen eine allzeit gute Fahrt.