Nachdem ich die Ergebnisse von 2014 mit dem Umbau 2015 nicht toppen konnte , war also der nächste Versuch angesagt. Zu probieren gibt es ja noch vieles … auch wenn die Zeit knapper geworden ist.
Eigentlich wollte und will ich ja noch eine weitere Variante der Zylinderkopfgestaltung am 1190er RC8R-Motor ausprobieren. Nachdem sich aber eine gute Gelegenheit bezüglich 1290er (1301 ccm) Motor angeboten hatte, kamen mir da noch ganz andere Ideen. Also wird der 1190er noch etwas aufgeschoben und das Projekt 1290er RC8R vorgezogen.
Zuerst landete der 1290er Motor auf meiner Werkbank und wurde zerlegt. So eine Gelegenheit muss man nutzen um sich intensiv damit zu befassen … schon um Unterschiede zum 1190er auszuloten. Da haben sind ja einige Teile geändert und so manches ist nicht mehr kompatibel mit den Motoren der vorhergehenden Generationen.
Der 1290er bietet aufgrund des um 2 mm größeren Hubs nicht mehr ganz die Drehzahlreserven der RC8/R. Bereits bei der RC8/R liegt die mittlere Kolbengeschwindigkeit recht hoch.
Bei 11.000 U/min liegen bei der RC8/R 25,30 m/s an … was die 1290er bereits bei 10700 U/min erreicht. Dementsprechend dürfte bei gleicher angestrebter Höchstgeschwindigkeit die Übersetzung bei der 1290er länger werden, was aber die Zugkraft am Rad wieder reduziert. Meine Erwartungen bezüglich "1290er besser als 1190er" halten sich also erst einmal in Grenzen. Aber auf der Landstraße bzw. im Alltag könnte der Motor zum emotionalen Drehmoment-Monster werden.
Nach dieser "Motorenanalyse" stand die Frage im Raum, welche Zylinderköpfe bei diesem Projekt zu verwenden sind. RC8R-Zylinderköpfe hätte ich einige da ... würden das Ganze theoretisch einfacher gestalten, auch weil alles andere meines vorhergehenden Projektes sozusagen plug&play passen würde. Aber inwiefern sind sie auch tauglich für den größeren Hubraum und den geänderten Verhältnissen? Gibt es bessere Alternativen dazu ... zumindest KTM scheint davon überzeugt zu sein? Die Motoren der 1290er SDR … Modellbezeichnung "613" haben im Grunde die gleichen Zylinderkopfgehäuse wie die der 1190er Adventure (Bezeichnung 603), nur dass z.B. die Nockenwellen der SDR im Nockenprofil und Steuerzeiten exakt denen der RC8R (Sport) entsprechen … nur ohne verstellbare Nockenwellenräder (dafür deutlich leichter).
Neu und auffällig bei den SDR / 1190 ADV Zylinderköpfen ist die geänderte Kanalform der Einlasskanäle, welche nicht nur viel enger geworden sind, sondern auch im Ventilbereich deutlich flacher in den Brennraum münden. Der Bereich zum Ventilsitz hin ist deutlich stärker als Tulpe ausgelegt. Allerdings ist durch den fertigungsbedingten 90° Durchstich direkt am Ventilsitzring eine ausgeprägte "Kante" entstanden, was weniger schön ist.
Die händische Nacharbeit am Übergang ist … sofern vorhanden, eher sehr grob ausgefallen. Das wurde an den RC8/R’s schon viel besser gemacht. Ich habe vier dieser SDR-Köpfe … bei allen war diese Werks-Nacharbeit komplett unterschiedlich ausgefallen … nicht immer im positiven Sinne.
Da auch die Einlasskanäle bei diesen Zylinderköpfen zum Ansaugstutzen hin nur etwa 48 mm Durchmesser erreichen (RC8/R annähernd 54 mm), wäre bei diesen Köpfen der Aufwand der Modifikation beträchtlich größer. Betrachtet man die Kanäle, so verwundern die 56 mm großen Drosselklappen. Hier reduziert sich innerhalb weniger cm der Durchmesser von 56 auf 48 mm!? Von sanften Übergängen dürfte hier keine Rede sein. Die RC8R hätte 56 mm DKK hier echt nötiger gehabt.
Trotzdem ist diese neue Kanalform im Grundgedanken äußerst interessant … vor allem der Übergangsbereich zum Ventilsitz hin. Immer mehr Sportlermotoren haben ihre Kanäle inzwischen so gestaltet (auch S1000RR und die neue R1).
Bei der Einströmung in den Brennraum spielt ja nicht nur der Durchgang am Ventilsitzring und der Ventilspalt eine wichtige Rolle, sondern auch die strömungstechnisch bedingte Einschnürung am Ventilspalt, die dessen theoretischen Durchgang wieder deutlich reduziert. Letzteres wird stark von der Gestaltung des Ventilsitzes und dem umliegenden Ventilsitzbereich beeinflusst ... also der Anströmung. Bei dem Wunsch nach mehr Durchsatz in einem bereits bestehenden System, stehen sich diese Optimierungsmaßnahmen leider gegenseitig im Weg. Eine ausgeprägte Tulpenform wäre gut für eine Reduzierung der Einschnürungseffekte … aber das dafür notwendige Material engt den Weg zum Ventil ein. Es gibt also irgendwo die goldene Mitte was den besten Durchsatz angeht … zumindest den optimalen Kompromiss für beste Leistung. Aber der ist erst mal zu finden ...
Dummerweise sind die Ansaugstutzen nun kürzer, haben einen größeren Außendurchmesser und sind zudem leicht oval. Zudem hat sich der Abstand der Stutzen zueinander leicht geändert. Da passen weder die Airbox noch der Drosselklappenkörper der RC8/R-Modelle. Mal so auf die Schnelle so einen Motor einbauen … ist also nicht möglich. Hier werden viele aufwendige Sonderlösungen gebraucht.
Da der 1290er ja üppige 108 mm Bohrung bietet … also 3 mm mehr als noch der 1190er (der mit 1195 ccm), wäre auch 1,5 mm mehr Platz zwischen Ventilen und Zylinderwand vorhanden. In dieser Konstellation kämen die größeren Einlassventile mit 43,5 mm deutlich besser zur Wirkung. Mehr lässt leider die Größe der Ventilsitzringe nicht zu. Abgesehen davon kommen statt der serienmäßigen 42 mm Stahlventile sowieso Titanventile zum Einsatz.
Die 1290er Kolben sind etwas anders gestaltet … aber trotz ihrer Größe leichter als die der RC8R.
Statt der Mulde ist das Kolbenzentrum nun flach … im Gegenzug die Zündkerze etwas weniger tief in den Brennraum ragend. Ventiltaschen sind gleichgroß geblieben und sogar etwas tiefer. Was Gedanken an mehr Ventilhub munter werden lässt. Aber auf alle Fälle schon mal positiv für die größeren Ventile.
Meine Idee war also, wieder große Ventile zu verwenden, aber diesmal nicht für maximalen Durchstich (Durchgang am Ventilsitz), sondern für eine möglichst schön gestaltete Tulpenform. Die besten Möglichkeiten dazu liefern die neuen Zylinderköpfe der 1290er. Das andere Extrem hatte ich ja bereits 2014 ausprobiert. Also diesmal Fokus auf Reduzierung der Strömungseinschnürung am Ventilspalt und größeren konisch verlaufenden Kanälen mit Anschluss auf 61 mm Drosselklappenkörper mit Dusche. Den DKK wollte ich so weit wie möglich vom letzten Projekt 2015 übernehmen oder in der Variante 2014 (etwas länger und 62,5 mm). Ebenso sollte das Standard-RC8/R-Airboxunterteil mit möglichst wenigen Änderungen zum Einsatz kommen.